BGH zur Unterhaltsberechnung
Streit
über die Höhe des Ehegatten-Unterhalts nach Ehescheidung - Neue Grundsätze
zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts Methode der Unterhaltsberechnung
Der unter anderem für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat
des Bundesgerichtshofs hatte über den Anspruch einer geschiedenen Ehefrau
auf nachehelichen Aufstockungsunterhalt zu entscheiden.
Die ca. 50-jährige Klägerin, die mit dem Beklagten von 1968
bis 1997 verheiratet war, versorgte während der Ehe den Haushalt, betreute
die 1979 geborene gemeinsame Tochter und war daneben halbtags als selbständige
Fußpflegerin tätig. Die Eheleute lebten in einem ihr gehörenden
Haus, welches sie 1998 verkaufte. Nach Ablösung von Schulden und Zahlung
eines Zugewinnausgleichs an den Beklagten verblieb ihr ein Restkapital, aus
dem sie Zinsen erzielt. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts kann
sie eine leichte vollschichtige Erwerbstätigkeit übernehmen.
Das Oberlandesgericht hat der Klägerin nachehelichen Aufstockungsunterhalt
gemäß § 1573 Abs. 2 BGB zugesprochen. Um dem lebensstandarderhöhenden
Wert der Haushaltsführung und Kindesbetreuung Rechnung zu tragen, hat es
der Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin nach den ehelichen Lebensverhältnissen
(§ 1578 BGB) nicht nur das bereinigte Erwerbseinkommen des Beklagten zugrunde
gelegt, sondern auch das nach der Scheidung ersatzweise erzielte bzw. erzielbare
Erwerbseinkommen der Klägerin aus der ihr zumutbaren vollschichtigen Tätigkeit
sowie die Zinseinkünfte, die sie aus dem verbliebenen Kapital nach Verkauf
ihres Hauses erzielt. Es hat für die Klägerin - im Ergebnis entsprechend
der sogenannten Differenzmethode - einen Unterhalt in Höhe der hälftigen
Differenz zwischen den nach der Scheidung von beiden Ehegatten erzielten bzw.
erzielbaren Einkünften errechnet.
Damit ist es von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
abgewichen. Danach bestimmte sich in den Fällen, in denen der unterhaltsberechtigte
Ehegatte während der Ehe kein Einkommen erzielt, sondern den Haushalt geführt
und gegebenenfalls die Kinder betreut hat, das Maß seines Unterhalts grundsätzlich
(nur) nach dem von dem unterhaltspflichtigen Ehegatten während der Ehe
erzielten Einkommen. Insoweit setzte die Ehescheidung einen Endpunkt mit der
Folge, daß Einkünfte, die erst danach hinzukamen, die ehelichen Lebensverhältnisse
nicht mehr bestimmten, es sei denn, sie waren schon während der Ehe sicher
zu erwarten.
Auf seinen so bemessenen Unterhaltsbedarf wurden eigene Einkünfte,
die der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach der Scheidung (und ohne dass dies
ehezeitlich bereits zu erwarten war) erzielte, bedarfsdeckend angerechnet (sogenannte
Anrechnungsmethode), so dass sich im Ergebnis ein geringerer Unterhaltsbetrag
ergab als nach der sogenannten Differenzmethode.
Der XII. Zivilsenat hat das Urteil des Oberlandesgerichts - in Abänderung
seiner bisherigen Rechtsprechung - im Ergebnis bestätigt:
Ausgangspunkt seiner Erwägungen war, dass der Gesetzgeber die Haushaltsführung
des nicht erwerbstätigen Ehegatten im Grundsatz der Erwerbstätigkeit
des anderen Ehegatten gleichstellt und daß die das Maß des Unterhalts
bestimmenden ehelichen Lebensverhältnisse nach § 1578 BGB nicht nur
durch die Bareinkünfte des erwerbstätigen Ehegatten, sondern auch
durch den wirtschaftlichen Wert der Leistungen des anderen Ehegatten im Haushalt
mitgeprägt werden. Der eheliche Lebensstandard erfährt hierdurch eine
Verbesserung, weil dieser Ehegatte Dienst- und Fürsorgeleistungen erbringt,
die andernfalls durch Fremdleistungen erkauft werden müßten. Da die
ehelichen Lebensverhältnisse durch die Gesamtheit aller wirtschaftlich
relevanten Faktoren mitbestimmt werden und alles umfassen, was während
der Ehe für den Lebenszuschnitt der Ehegatten von Bedeutung ist, mithin
auch den durch die häusliche Mitarbeit des nicht erwerbstätigen Ehegatten
erreichten sozialen Standard, ist es aus dieser Sicht zu eng, den Unterhaltsbedarf
auch in den Fällen nur an den zum Zeitpunkt der Scheidung vorhandenen Barmitteln
auszurichten, in denen der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach der Scheidung
eine Erwerbstätigkeit aufnimmt oder ausweitet und daraus Einkünfte
bezieht.
Da diese Tätigkeit gleichsam als Surrogat für seine bisherige
Familienarbeit angesehen werden kann, ist es gerechtfertigt, das nunmehr erzielte
Einkommen in die Unterhaltsbedarfsbemessung miteinzubeziehen, von Ausnahmen
einer ungewöhnlichen, vom Normalverlauf abweichenden Karriereentwicklung
abgesehen. Auf diese Weise ist die gebotene gleichmäßige Teilhabe
beider Ehegatten an dem in der Ehe gemeinsam erreichten Lebensstandard gewährleistet.
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