Abänderungsklagen wegen verfassungswidriger Dreiteilung beim Ehegattenunterhalt 5/5

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 25.01.2011 – 1 BvR 918 / 10 die vom BGH entwickelte Dreiteilungsmethode zum nachehelichen Unterhalt für verfassungswidrig erklärt. Hieraus ergeben sich eine Reihe von Rechtsfragen, insbesondere im Hinblick auf Abänderungen früherer Titel.

Ausgangslage:
Mit Urteil vom 30.07.2008 - XII ZR 177/06 (= NJW 2008, 3213) vertrat der BGH die Theorie der Wandelbarkeit der ehelichen Verhältnisse und wandte bei der Berechnung des Unterhalts der geschiedenen Frau die so genannte Drittelmethode oder Dreiteilungsmethode an. Dabei werden die Einkommen des Mannes und beider Ehefrauen addiert und die Summe durch 3 geteilt. Dieses Drittel ist dann, abzüglich eines Eigenverdienstes der Exfrau, deren Unterhaltsanspruch. Durch eine Kontrollrechnung wurde sichergestellt, dass der geschiedene Ehegatte maximal in der Höhe Unterhalt erhielt, die sich ergäbe, wenn der Unterhaltspflichtige nicht erneut geheiratet hätte. Die Drittelmethode führte zu einer erheblichen Reduzierung der Ansprüche der geschiedenen Ehefrau.

Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts:
Das BVerfG führt aus, dass diese Art der Unterhaltsberechnung mit keiner der geläufigen Auslegungsmethoden aus dem Gesetzestext zu entnehmen sei. Die richterliche Rechtsfortbildung dürfe nicht dazu führen, dass der Richter seine eigenen materiellen Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle des Gesetzgebers setzt. Die praktizierte Drittelmethode nehme einen Systemwechsel vor, bei dem § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB durch eigene Gerechtigkeitsvorstellungen ersetzt werde.

Konsequenzen für die Praxis:
Bereits seit längerem ist anerkannt, dass sich eine wesentliche Veränderung der maßgeblichen Verhältnisse nicht nur aus einer Änderung der Gesetzeslage, sondern auch aus einer ihr gleichkommenden verfassungskonformen Auslegung einer Norm durch das Bundesverfassungsgericht ergeben kann (BGH FamRZ 1990,1091,1094). Eine Abänderung des Unterhaltstitels wegen Änderung der Rechtsprechung kommt aber erst ab Verkündung des maßgeblichen Urteils des Bundesverfassungsgerichts in Betracht (vgl. BGH FamRZ 2007, 796 ). Eine entsprechende zeitliche Schranke und keine Rückwirkung gilt im Rahmen von zukünftigen Abänderungsklagen auch für Unterhaltsberechtigte, meist Erstehefrauen. Diese können sich im Rahmen von Abänderungsklagen erst für die Zeit ab der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Aufhebung der Dreiteilungsmethode, also 25.01.2011 auf die Änderung der Rechtsprechung berufen und nach § 238 FamFG Abänderung beantragen.

Vergleiche:
Die Änderung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wirkt sich auch auf bereits abgeschlossene Vergleiche aus (vgl. BGH FamRZ 2001, 1687; 2004,1357). Eine Anpassung an die veränderte Rechtslage kann nur erfolgen, wenn dies den Parteien zumutbar ist. Die Interessen der geschiedenen unterhaltsberechtigten ersten Ehefrau an einer Neubewertung wegen der Abschaffung der Dreiteilungsmethode und des Unterhaltsschuldners an einer Beibehaltung der bisherigen Grundlagen sind im Rahmen einer Gesamtabwägung zu prüfen (BGH FamRZ 2001, 1690). Bei Unterhaltsabfindungen bildet die geänderte Rechtsprechung keinen Abänderungsgrund, weshalb keine Neubewertung erfolgt. Wenn die Unterhaltsregelung hingegen Bestandteil einer umfassenden Scheidungsfolgenvereinbarung war und die Parteien bereits irreversible Vermögensdispositionen getroffen haben, wird eine Abänderung kaum möglich sein (vgl. FA – FamR / Gerhardt,Kap. 6 Rdn. 977; a. A. Klein, Das neuen Unterhaltsrecht 2008, 212; Peschel – Gutzeit, Das neue Unterhaltsrecht 2008, Rdn. 202 ).

Unabhängig davon, ob die Unterhaltsvereinbarung Bestandteil einer umfassenden Gesamtvereinbarung geworden ist, ist die Frage der Zumutbarkeit und des Vertrauensschutzes ein entscheidendes Abgrenzungsmerkmal. Wenn im Rahmen einer Paketlösung ein innerer Zusammenhang zwischen mehreren Regelungsbereichen besteht, stellt sich die Frage, ob dadurch die Geschäftsgrundlage der gesamten Vereinbarung berührt wird (vgl. Gutjahr, NJW 2008, 1985; Büte, FuR 2008, 177, 180). Dies könnte zwar zu einer Unterhaltsabänderung führen, jedoch im Ergebnis durch ergänzende Vertragsauslegung wieder korrigiert werden.

Fazit:
Die Rechtsprechung hat für die Fälle der Gesamtvereinbarung unter Einbeziehung der früheren Drittelmethode offensichtlich kein Patentrezept. Es wird jeweils eine Einzelfallbetrachtung notwendig sein, unter besonderer Berücksichtigung des Vertrauensschutzes. Wenn diese Hürde genommen wird, muss wohl eine Vertragsanpassung durch Vertragsauslegung in der zweiten Stufe erfolgen. Dabei ist der Ausgleich bereits vollzogener Vermögensdispositionen z.B. im Hinblick auf Immobilien besonders schwierig und kaum durchführbar.

Einfacher zu gestalten sind die Fälle des nachehelichen Unterhalts, die mit Urteil abgeschlossen wurden und entsprechende Vergleiche, die nur isoliert die Unterhaltsfrage betreffen. Hierfür bietet § 238 FamFG eine klare Abänderungsmöglichkeit.

( Rechtsanwalt und. Fachanwalt für Familienrecht Dr. Werner Nickl, Eislingen )


geschrieben am: 13.02.2011 - 18:51:32 von: blaurani in der Kategorie Unterhalt
(Geändert 14.02.2011 - 10:39:05) 3440 mal gelesen
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