Betreuungsunterhalt: Ausweitung der Erwerbstätigkeit, wenn anderer Elternteil Kindesbetreuung anbietet
Mit der Neugestaltung des nachehelichen Betreuungsunterhalts in § 1570 BGB hat der Gesetzgeber für Kinder ab Vollendung des dritten Lebensjahres den Vorrang der persönlichen Betreuung gegenüber anderen kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten aufgegeben. Die Obliegenheit zur Inanspruchnahme einer kindgerechten Betreuungsmöglichkeit findet erst dort ihre Grenze, wo die Betreuung nicht mehr mit dem Kindeswohl vereinbar ist, was jedenfalls bei öffentlichen Betreuungseinrichtungen wie Kindergärten, Kindertagesstätten oder Kinderhorten regelmäßig nicht der Fall ist (BGH vom 21.04.2010 XII ZR 134/08).
In Literatur und Rechtsprechung wurde bisher die Auffassung vertreten, dass zur kindgerechten Betreuungsmöglichkeit nur die Betreuung in öffentlichen Betreuungseinrichtungen gehöre. Hierdurch solle verhindert werden, dass es zu Streitigkeiten komme, weil der barunterhaltspflichtige Elternteil die Kindesbetreuung durch seine Eltern oder durch sich selbst anbiete.
Der BGH hat dieser Auffassung nun in einem neuen Urteil vom 15.09.2010 - XII ZR 20/09 - eine Absage erteilt. Er hat hierzu folgendes ausgeführt:
Grundsätzlich sei auch der barunterhaltspflichtige Elternteil als Betreuungsperson in Betracht zu ziehen, wenn er dies ernsthaft und verlässlich anbietee. Maßstab dafür sei auch im Rahmen des § 1570 BGB das Kindswohl, hinter dem rein unterhaltsrechtliche Erwägungen zurück-treten müssten. Sei bereits eine am Kindeswohl orientierte Umgangsregelung vorhanden, sei diese grundsätzlich vorgreiflich.
Weil in dem vom BGH entschiedenen Fall ein regelmäßiger Umgang mit dem Vater stattfand und dieser das Kind ohnehin an einem Nachmittags in der Woche betreute, sei nicht nachvollziehbar, warum sich im Falle einer darüber hinaus gehenden Betreuung durch den Kindesvater ein Loyalitätskonflikt für das Kind ergeben könne.
(Geändert 23.10.2010 - 19:11:56) 3300 mal gelesen
Autor:
Ralf Hein
Kanzlei Thümlein & Kollegen
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