Betreuungsunterhalt für nichteheliches Kind nach 3 Jahren 4.8/5

Nach § 1615 l Abs. 2 Satz 2 BGB steht der Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes über die Dauer des Mutterschutzes hinaus ein Unterhaltsanspruch gegen den Vater zu, wenn von ihr wegen der Pflege und Erziehung eines Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Nach § 1615 l Abs. 2 Satz 3 BGB besteht die Unterhaltspflicht des betreuenden Elternteils für mindestens drei Jahre nach der Geburt des Kindes. Sie verlängert sich, so lange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind insbesondere die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen. Der BGH hat mit Urteil vom 16.12. 2009 - XII ZR 50 / 08 - nochmals klargestellt, dass die Vorschrift des § 1615 l Abs. 2 BGB und den nachehelichen Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB weitgehend einander angeglichen sind (vgl. auch BGH FamRZ 2009, 1391). Darüber hinaus hat der BGH in dieser neuen Entscheidung grundsätzliche Ausführungen zu elternbezogenen Gründen, Vertrauensschutz und Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, sowie Handhabung einer Krankheit der Unterhaltsberechtigten gemacht.

Mit der Einführung des Basisunterhalts bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres hat der Gesetzgeber dem betreuenden Elternteil die freie Entscheidung eingeräumt, ob er das Kind in dessen ersten drei Lebensjahren in vollem Umfang selbst betreuen oder andere Betreuungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen will. Ein während dieser Zeit erzieltes Einkommen ist nach BGH somit stets überobligatorisch und der betreuende Elternteil kann eine bestehende Erwerbstätigkeit jederzeit wieder aufgeben und sich voll der Erziehung und Betreuung des Kindes widmen. Insoweit unterscheiden sich der nacheheliche Betreuungsunterhalt und der Unterhaltsanspruch wegen Betreuung eines nicht-ehelich geborenen Kindes nicht, weil der Anspruch auf dem verfassungsrechtlich durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Recht der Kinder auf Pflege und Erziehung beruht. Entscheidet sich der betreuende Elternteil allerdings dafür, das Kind auf andere Weise betreuen zu lassen und erzielt er eigene Einkünfte, ist das überobligatorisch erzielte Einkommen nach den Umständen des Einzelfalles anteilig zu berücksichtigen (BGH,- FamRZ 2009, 1391, 1393 m.w.N.).

Für die Zeit ab Vollendung des dritten Lebensjahres steht dem betreuenden Elternteil nach der gesetzlichen Neuregelung nur noch dann ein fortdauernder Anspruch auf Betreuungsunterhalt zu, wenn dies der Billigkeit entspricht ( § 1615 l Abs. 2 Satz 4 BGB). Damit verlangt die Neuregelung nach BGH allerdings keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit. Insbesondere nach Maßgabe der im Gesetz ausdrücklich genannten kindbezogenen Gründe ist unter Berücksichtigung der bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung (§ 1615 l Abs. 2 Satz 5 BGB) ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich (zum nachehelichen Betreuungsunterhalt vgl. BGH, FamRZ 2009, 1391, 1393 f. m.w.N.). Neben den vorrangig zu berücksichtigenden kindbezogenen Gründen sieht § 1570 Abs. 2 BGB für den nachehelichen Betreuungsunterhalt eine weitere Verlängerungsmöglichkeit aus elternbezogenen Gründen vor. Danach verlängert sich der nacheheliche Betreuungsunterhalt über die Verlängerung aus kindbezogenen Gründen hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie deren Dauer der Billigkeit entspricht. Insoweit ist also ausdrücklich auch ein Vertrauenstatbestand zu berücksichtigen, der sich aus den Nachwirkungen der Ehe ergeben kann. Im Rahmen des - hier relevanten - Anspruchs wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes ist diese Regelung zwar nicht ausdrücklich übernommen worden. Weil § 1615 l Abs. 2 Satz 5 BGB jedoch eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs "insbesondere" aus kindbezogenen Gründen zulässt, kommen nach BGH auch elternbezogene Umstände für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts in Betracht. Das gilt insbesondere dann, wenn die Eltern - wie hier - mit ihrem gemeinsamen Kind zusammengelebt haben und deswegen auch ein eventueller Vertrauenstatbestand als Nachwirkung dieser Familie zu berücksichtigen ist ( vgl. BGH 16.12. 2009 - XII ZR 50 / 08 ).Dabei ist allerdings stets zu beachten, dass die gesetzliche Regel, wonach der Betreuungsunterhalt grundsätzlich nur für drei Jahre geschuldet ist und eine Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus ausdrücklich begründet werden muss, nicht in ihr Gegenteil verkehrt werden darf.

Zur Darlegungs – u. Beweislast führt der BGH aus:
…“Der Unterhaltsberechtigte trägt allerdings die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Dauer von drei Jahren hinaus. Er hat also zunächst darzulegen und zu beweisen, dass keine kindgerechte Einrichtung für die Betreuung des gemeinsamen Kindes zur Verfügung steht oder dass aus besonderen Gründen eine persönliche Betreuung erforderlich ist. Auch Umstände, die aus elternbezogenen Gründen zu einer eingeschränkten Erwerbspflicht und damit zur Verlängerung des Betreuungsunterhalts führen können, hat der Unterhaltsberechtigte darzulegen und zu beweisen."

Sofern kindbezogene wie elternbezogene Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes hinaus hat nicht vorgetragen werden, können sie nur dann insoweit berücksichtigt werden, als sie auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts auf der Hand liegen.

Im konkreten Fall besuchte der gemeinsame Sohn zunächst einen Kindergarten und geht seit August 2006 zur Schule. Dass ein Vollzeitkindergarten und ab August 2006 eine Nachmittagshortbetreuung in einer kindgerechten Einrichtung nicht zur Verfügung standen, hat die Klägerin weder vorgetragen, noch ergibt sich dies aus anderen Umständen. Der BGH betont, dass bis zum Abschluss des ersten Schulhalbjahres aus kindbezogenen Gründen keine Notwendigkeit einer ständigen Verfügbarkeit der Mutter besteht. Dies gilt insbesondere dann, wenn der gemeinsame Sohn intellektuell und sozial gut entwickelt ist. Denn mit der Aufgabe des Vorrangs der persönlichen Betreuung ab Vollendung des dritten Lebensjahres ist aus kindbezogenen Gründen keine ständige Verfügbarkeit der Mutter mehr erforderlich ( vgl. BGH a.a.O., BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770, 772).

Es müssen jedoch auch elternbezogene Gründe bei der Frage einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahres hinaus berücksichtigt werden. Denn die Parteien hatten mit dem gemeinsamen Kind als Familie zusammengelebt, wodurch ein Vertrauenstatbestand auf Seiten der Klägerin entstanden war. Allerdings waren die Parteien bereits im Jahre 1995 zusammengezogen, als die Klägerin von einem anderen Mann schwanger war. In dieser Zeit konnte sie nicht auf eine unterhaltsrechtliche Absicherung durch den Beklagten vertrauen, weil das Gesetz für nichteheliche Lebensgemeinschaften ohne gemeinsames Kind keine Unterhaltsansprüche kennt. Das änderte sich erst, als im August 2000 der gemeinsame Sohn geboren wurde. Auf der Grundlage des sich daran anschließenden fünfeinhalbjährigen Zusammenlebens mit dem gemeinsamen Kind durfte die Klägerin darauf vertrauen, nicht unverzüglich mit der Trennung eine vollschichtige Erwerbstätigkeit aufnehmen zu müssen. Der BGH geht davon aus, dass die Schonfrist von einem Jahr angemessen ist.
Der Umstand, dass die Klägerin an Multipler Sklerose leidet, kann nicht zu einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts führen, weil der Unterhaltsanspruch wegen Betreuung eines nichtehelichen Kindes aus § 1615l Abs. 2 BGB keinen Krankheitsunterhalt vorsieht und die bereits im Jahre 1987 erstmals diagnostizierte Erkrankung nicht auf die Geburt des gemeinsamen Kindes zurückzuführen ist. Auch eine mögliche überobligationsmäßige Belastung des betreuenden Elternteils steht einer Erwerbsobliegenheit der Klägerin für die Zeit ab Februar 2007 nicht aus elternbezogenen Gründen entgegen, zumal dafür keine konkreten Umstände vorgetragen sind. Danach wäre die jetzt 41 Jahre alte Klägerin auch unter Berücksichtigung des durch das Zusammenleben gewonnenen Vertrauens mangels weiteren Vortrags zu kind- oder elternbezogenen Verlängerungsgründen sogar zu einer Erwerbstätigkeit verpflichtet, die deutlich über eine halbschichtige Erwerbstätigkeit hinausgeht.

Ob die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen (teilweise) erwerbsunfähig ist oder ob sie einen Arbeitsplatz in ihrem erlernten Beruf als Archäologin finden kann, ist im Rahmen des Unterhaltsanspruchs wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes unerheblich, weil der Unterhaltsanspruch nach § 1615 l BGB ihre Lebensstellung nur wegen der notwendigen Kindesbetreuung sichern will. Ihr Krankheitsrisiko oder ihr Beschäftigungsrisiko wird von § 1615l BGB nicht erfasst, denn einen Krankheitsunterhalt oder einen Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit, wie sie die §§ 1572 und 1573 BGB für den nachehelichen Unterhalt zusätzlich vorsehen, kennt § 1615l BGB nicht ( vgl. BGH a.a.O.).

Resumé:
Die Entscheidung des BGH vom 16.12.2009 hat bereits zementierte Grundsätze wiederholt, gleichzeitig jedoch für die Praxis wichtige Orientierungen aufgezeigt. Im Folgenden sind stichwortartig Grundsätze herausgearbeitet, die zukünftig beachtet werden müssen und auch für den nachehelichen Unterhalt Bedeutung haben:

- Die Vorschrift des § 1615 l Abs. 2 BGB und der nachehelichen Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB sind weitgehend identisch.

- Einkünfte während der ersten 3 Jahre durch die Unterhaltsberechtigte sind überobligatorisch und nur anteilig zu berücksichtigen.

- Da § 1615 l Abs. 2 Satz 5 BGB eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs "insbesondere" aus kindbezogenen Gründen zulässt, kommen auch elternbezogene Umstände für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts in Betracht.

- Bis zum Abschluss des ersten Schulhalbjahres besteht aus kindbezogenen Gründen keine Notwendigkeit einer ständigen Verfügbarkeit der Mutter, insbesondere dann, wenn das gemeinsame Kind intellektuell und sozial gut entwickelt ist.

- Wenn die Parteien mit dem gemeinsamen Kind als Familie zusammengelebt haben, entsteht auf Seiten der unterhalsberechtigten Mutter ein Vertrauenstatbestand oder elternbezogener Umstand. In diesem Zusammenhang ist die Schonfrist von einem Jahr ab der Trennung angemessen, um eine Beschäftigung aufzunehmen.

- Eine Krankheit der Unterhaltsberechtigten, kann nicht zu einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts führen, weil der Unterhaltsanspruch wegen Betreuung eines nichtehelichen Kindes aus § 1615l Abs. 2 BGB keinen Krankheitsunterhalt vorsieht.

Dr. Werner Nickl
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Familienrecht

geschrieben am: 23.02.2010 - 19:05:34 von: blaurani in der Kategorie Unterhalt
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Fragen und Antworten: 2 Kommentare


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22.11.2012 - 17:30:13:
Hat eine ledige mutter nach dem 3. Lb des kindes eine realistische chance, fortlaufende unterhaltszahlungen einzufordern vom vater, wenn ein...
16.04.2010 - 16:21:31:
Kann man(n) das auch bei Trennungsunterhalt benutzen? Frau macht auf Krank Kinder sind bei Vater geblieben Vater fordert nach 15 Monaten Bw...

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