Der "vergessene" Scheidungsantrag kann teuer werden....... 0/5

.... wenn man nicht richtig reagiert und sich zunächst die Kosten für einen eigenen Anwalt spart!

Im letzten Jahr habe ich einen Fall erlebt, den ich nur aus dem Lehrbuch kannte, und von dem ich dachte, daß es ihn in der Realität sicher auch nicht gibt:

Der Fall aus dem Lehrbuch war wie folgt: Die Ehefrau hatte einen Scheidungsantrag eingereicht. Der Ehemann war Unternehmer und hatte in den letzten 20 Jahren während der gemeinsamen Ehe ein Unternehmen aufgebaut und damit viel Zugewinn erwirtschaftet. Er wäre also in erheblicher Höhe ausgleichspflichtig gewesen, denn sowohl der Rentenausgleich (Versorgungsausgleich) als auch der Zugewinnausgleich richten sich nach der Ehezeit, das heißt, ausgleichspflichtig ist man für die Zeit der Ehe. Das, was in dieser Zeit an Vermögenszuwachs erwirtschaftet wurde, fällt in den Zugewinn.

Ihm fiel aber zum Glück wieder ein, daß die Ehefrau schon vor ca. 18 Jahren einmal die Scheidung beantragt hatte. Diesen Scheidungsantrag hatte sie offenbar völlig vergessen, damit hatten sich die Eheleute wieder versöhnt, und das Verfahren war bei Gericht nicht weiterbetrieben worden. Die Akte war in den Keller gewandert und lag da immer noch. Flugs ging der Ehemann zum Rechtsanwalt, der sofort reagierte: er stellte in dem alten Verfahren für den Ehemann einen eigenen Scheidungsantrag und konnte damit verhindern, daß die Ehefrau für den Fall, daß es ihr wieder einfiel, ihren alten Scheidungsantrag zurückzunehmen, daß damit das Verfahren erledigt gewesen wäre. Dann meldete er sich in dem "aktuellen" Verfahren und berief sich darauf, daß dieser aktuelle Scheidungsantrag aufgrund des alten Verfahrens unzulässig war.

Ergebnis: Der neue Scheidungsantrag mußte zurückgenommen werden bzw. wurde abgewiesen. Das alte Verfahren lief weiter. Entscheidend ist, daß damit die für den Zugewinnausgleich maßgebliche Ehezeit nur kurz war, nämlich von der Eheschließung an bis zu dem Zeitpunkt, als vor 18 Jahren der Antrag gestellt worden war, und so zählte nur eine kurze Zeit in den Zugewinnausgleich, die dem Ehemann eine Menge Geld sparte.

Ich dachte immer, so einen Fall gäbe es nur im Lehrbuch, bis ich dann im letzten Jahr genau diesen Fall tatsächlich erlebte. Er war ähnlich, und der Mandant kam leider zu spät, weil er nämlich bis dahin die Anwaltskosten sparen wollte. Das kam ihn am Ende sehr teuer zu stehen:

Wieder hatte die Frau bereits zweimal einen Scheidungsantrag gestellt. Hier ging es letztlich, was die Ehezeit anging, vor allem um den Versorgungsausgleich, denn der Mann verfügte über erhebliche Anwartschaften aus einer Betriebsrente bei Bosch. Er machte den Fehler, zunächst zu einer "gemeinsamen" Anwältin zu gehen (den gemeinsamen Anwalt gibt es, auch wenn es immer anders im Fernsehen oder in der Presse berichtet wird, nicht!!!!). Diese von der Ehefrau beauftragte Anwältin erkannte die Situation, und empfahl sofort ihrer Mandantin, den alten Scheidungsantrag zurückzunehmen. Da der Ehemann leider nicht selber anwaltlich beraten war, sagte ich auch niemand, daß, hätte er rechtzeitig einen eigenen Scheidungsantrag gestellt, die Folgen ganz anders gewesen wären.

Die Folgen: seine Betriebsrente wird nun in erheblicher Höhe geteilt, weil als Ehezeit die Zeit bis zum jetzigen Scheidungsantrag zählte. Hätte er die andere Variante wählen können, hätte er auf jeden Fall zwischen 100 000 und 200 000 Euro sparen können!

Als der Mandant in unsere Kanzlei kam, war es leider zu spät.

Mein Rat daher: sparen Sie nicht an den Kosten für einen eigenen Anwalt, selbst, wenn sie dort einige tausend Euro Anwaltskosten investieren müssen, kann das insbesondere in solche wohlsituierten Verhältnissen viel viel Geld sparen! Denn unterm Strich wird zusammengezählt!

Ich erlebe immer wieder, daß auch gut Verdienende nicht bereit sind, Anwaltskosten zu bezahlen, aber es ist oft ein Trugschluß, denn vermeintlich gespartes Geld wird dann an anderer Stelle vielfach potenziert versenkt!

Gehen Sie rechtzeitig, das heißt, am besten schon in der Trennungssituation, bzw. noch besser, wenn diese kurz bevorsteht, zum Fachanwalt für Familienrecht, und lassen Sie sich beraten!


Dr. Inge Rötlich

Fachanwältin für Familienrecht

Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

geschrieben am: 01.05.2010 - 14:01:16 von: DrIngeRötlich in der Kategorie Aktuelles
2641 mal gelesen
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