Familiengerichte mildern Wirkungen des neuen Unterhaltsrechts 0/5

Die bisher bekannt gewordenen Entscheidungen der Familiengerichte deuten darauf hin, dass das neue Unterhaltsrecht die Rechtsanwendung nicht so stark ändert, wie anfangs angenommen. Viele geschiedene Ehemänner hatten ihre Unterhaltszahlungen an die geschiedene Ehefrau zum 01.01.2008 einfach eingestellt, weil die von ihr betreuten Kinder bereits älter als drei Jahre waren. In der Tat soll nach dem gesetzlichen Regelfall der Elternteil, der die Kinder betreut, einen unange-fochtenen Anspruch auf Betreuungsunterhalt nur haben, bis die Kinder drei Jahre alt geworden sind. Das jahrzehntelang von den Familiengerichten angewendete Altersphasenmodell galt als überholt. Danach hatte die Mutter erst dann eine Teilzeitbeschäftigung aufnehmen müssen, wenn das jüngste Kind ins 3. Schuljahr kam und eine Pflicht zur Ausübung einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit sollte erst gelten, wenn das jüngste Kind das 15. Lebensjahr vollendet hatte. Diese relativ eingefahrenen, starren Grenzen werden zwar nicht mehr angewendet werden, da das neue Recht sehr viel stärker auf die Einzelfallumstände abstellen will (welche Betreuungsmöglichkeiten gibt es für die Kinder, welche Möglichkeiten hat die Mutter, an ihre frühere Berufstätigkeit wieder nahtlos anzuschließen, etc.). Diese Einzelumstände führen jedoch häufig dazu, dass die Mütter doch wesentlich länger Betreuungsunterhalt zugesprochen bekommen.
So hat der Bundesgerichtshof mit einem ersten Urteil zum neuen Unterhaltsrecht eine beacht-liche Entscheidung gefällt: Die Parteien dieses Rechtsstreit, beide in den 60er Jahren geboren, hatten in nicht ehelicher Lebensgemeinschaft rund 5 Jahre zusammen gelebt. Sie waren zusammen gezo-gen, als 1997 ihre 1. Tochter geboren wurde. 2001 folgte ein weiteres gemeinsames Kind nach. Die Trennung erfolgte in 2002, seit 2004 hatte die Frau wieder einen neuen Freund und der Mann ver-heiratete sich 2004 mit einer anderen Frau.
Das Oberlandesgericht hatte den Anspruch auf Betreuungsunterhalt auf die Zeit bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres des jüngsten Kindes beschränkt. Der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidung aufgehoben und die Sache zum Oberlandesgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückgewiesen. Dabei hat der Bundesgerichtshof folgende Grundsätze aufgestellt:
Der Unterhaltsbedarf soll sich weiterhin grundsätzlich nach den fortgeschriebenen ehelichen Lebensverhältnissen richten. Der nacheheliche Betreuungsunterhalt soll den Unterhaltsberechtigten allerdings nur so stehen, wie er stünde, wenn er selbst wieder voll arbeiten könnte. Bleibt die Kinder betreuende Mutter damit hinter den ehelichen Lebensverhältnissen zurückbleiben, kann allerdings ein Aufstockungsunterhalt zugesprochen werden (§ 1573 Abs. 2 BGB). Beim Anspruch auf Betreu-ungsunterhalt der Mutter eines nicht ehelichen Kindes richte sich der Unterhaltsbedarf nach ihrer eigenen Lebensstellung. Auch dieser Anspruch stelle die Unterhaltsberechtigte so, wie sie (beruflich) stehen würde, wenn das gemeinsame Kind nicht geboren wäre.
Bezüglich der Dauer des Betreuungsunterhaltes aus Billigkeitsgründen müsse der betreuende Elternteil, der Unterhalt beanspruche, darlegen und beweisen, welche individuellen Gründe dafür sprechen, dass Betreuungsunterhalt über das 3. Lebensjahr des Kindes hinaus erforderlich ist. Dies könne sich zum einen aus kindbezogenen Gründen ergeben (besondere Betreuungsnotwendigkeiten, z.B. wegen Behinderung oder ADS oder andere Lernschwierigkeiten des Kindes, etc.). Es können aber auch elternbezogene Gründe herangezogen werden (wie waren die Betreuungspraxis und die Betreuungsvorstellungen während des Zusammenlebens?).
Der Bundesgerichtshof lässt, obwohl er den Fall letztlich nicht selbst entschieden hat, sondern zur weiteren Aufklärung an das Oberlandesgericht zurück verwiesen hat, erkennen, dass er selbst dann, wenn eine Volltagsbetreuung im Kindergarten zur Verfügung steht, der Mutter nicht unbe-dingt eine vollschichtige Erwerbspflicht abverlangen will.
Eine weitere wichtige Neuerung ist die Änderung der Rangfolgen, die insbesondere dann eine Rolle spielt, wenn das Geld, das beim Unterhaltspflichtigen den Selbstbehalt von 900,00 € bzw. 1.000,00 € übersteigt und für Unterhaltszwecke zur Verfügung steht, nicht ausreicht, um den Unter-haltsbedarf aller unterhaltsberechtigten Personen zu befriedigen. Hier hatte man bisher in die sog. "Mangelfallberechnungen" auch immer die Ehefrau mit einbezogen. Nach neuem Recht soll jetzt zunächst einmal der Unterhaltsbedarf aller minderjährigen Kinder gedeckt werden. Nur wenn da-nach noch etwas übrig bleibt, kommt die getrennt lebende bzw. geschiedene Ehefrau u. U. noch zum Zuge. Für die Beteiligten ist dies vor allem eine enorme Vereinfachung der Unterhaltsberech-nung. Es gibt dazu allerdings einen steuerlichen "Wehrmutstropfen", der de facto einer Steuererhö-hung gleich kommt. Denn nur Unterhalt an den getrennt lebenden bzw. geschiedenen Ehegatten kann über das Verfahren nach der sog. Anlage U steuerlich abgesetzt werden, Kindesunterhalt hin-gegen nicht.
Das Kindergeld wird auf die Bedarfszahlen, die aus der ab 01.01.2008 gültigen neuen Düssel-dorfer Tabelle zu entnehmen sind, wieder in allen Einkommensgruppen hälftig auf den Tabellenbe-trag angerechnet. Und bei der Berechnung eines eventuellen Ehegattenunterhaltsanspruchs werden nur noch die Zahlbeträge (die sich nach Abzug des hälftigen Kindergelds ergeben) und nicht mehr, wie zumindest beim Kasseler Familiensenat des Oberlandesgerichts Frankfurt bisher üblich, die Ta-bellenbeträge abgezogen.
Im 2. Unterhaltsrang stehen (ehemalige) Ehepartner, die Kinder betreuen. Ihnen gleichgestellt sind ehemalige Ehepartner, bei denen eine "Ehe von langer Dauer" vorlag. Dabei zeichnet sich in der Rechtsprechung ab, dass das Kriterium "lange Dauer" entgegen dem allgemeinen Sprach-gebrauch weniger von der Anzahl der Ehejahre abhängt, als vielmehr davon, ob die Betreffende/der Betreffende durch die Heirat bzw. die Kinderbetreuung nachhaltige berufliche Nachteile erlitten hat.

geschrieben am: 07.12.2008 - 15:43:20 von: Hermann Zimmermann in der Kategorie Unterhalt
3909 mal gelesen
Fragen und Antworten: 1 Kommentare


Sicherheitscode (nur für Gäste):

(Achtung öffentliche Frage für jeden einsehbar!
Möglichst keine Kontaktdaten und Emailadressen angeben!)

Bewerte diesen Artikel: Bewertung:
0/5 basierend auf 0 Stimmen
E-Mail:
gesendet von
E-Mail an
10.12.2008 - 11:06:08:
Betrifft der geschilderte Fall den Betreuungsunterhalt einer geschiedenen Mutter oder waren die Eltern des Kindes nicht verheiratet?

RSS FEED


Die Seite 1
Zum Thema Scheidung, Unterhalt und Sorgerecht

This website uses cookies to enhance your experience. Read our privacy policy for details. X
EdeV-Verzeichnis die Software für web2.0 Communities von McGrip Web Design Services