Freistellung von Darlehensverbindlichkeiten bei Familienheim 0/5

1. Nach dem Scheitern der Ehe besteht ein Befreiungsanspruch jenes Ehepartners, der die Bankdarlehen mitunterschrieben hat, gleichwohl nicht im Grundbuch eingetragen ist.
Eine Wartzeit bis zur Rechtskraft der Scheidung ist nicht einzuhalten.
2. Der mit dem Scheitern der Ehe entstehende Befreiungsanspruch kann durch das Gebot der Rücksichtnahme gemäß § 1353 Abs. 1 S.2 BGB, das auch über das Scheitern der Ehe hinaus wirkt, eingeschränkt sein.
3. Nach dem Scheitern der Ehe muss der Befreiungsgläubiger das abstrakte Risiko einer zukünftigen Inanspruchnahme nicht mehr tragen, selbst wenn der Befreiungsschuldner die Raten an die Bank pünktlich erfüllt.
4. Der Freistellungsanspruch hängt auch nicht von der Klärung des Unterhalts oder Zugewinnausgleichsansprüchen ab (vgl. Beschluss des OLG Stuttgart vom 29.07.2011 Az. 16 UF 186 / 11).

Sachverhalt:
Die Parteien leben seit mehr als einem Jahr getrennt. Der Ehemann ( Freistellungsgläubiger ) ist aus der Ehewohnung ausgezogen, die im Alleineigentum der Ehefrau (Freistellungsschuldnerin ) steht. Die Bankverbindlichkeiten in Höhe von 200.000 € wurden von beiden Eheleuten unterschrieben. 3 Monate nach der Trennung hat der Ehemann Befreiung von den Bankverbindlichkeiten verlangt. Zwischenzeitlich ist auch der Scheidungsantrag anhängig. Der Ehemann bezahlt weiterhin Zins u. Tilgung für die Kredite. Das OLG Stuttgart hat den Befreiungsanspruch des Ehemannes von den Verbindlichkeiten der Bankdarlehen bestätigt und grundsätzliche Ausführungen in Ergänzung zu einer Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1989 gemacht ( vgl. BGH, FamRZ 1989, 835).

Der Ehemann kann Befreiung von den Bankverbindlichkeiten über das Auftragsrecht nach § 670 BGB verlangen. Es handelt sich um ein familienrechtlich begründetes Schuldverhältnis, welches nach der Trennung aus wichtigem Grund nach § 671 Abs. 3 BGB gekündigt werden kann .Da die Aufwendung in der Eingehung einer Verbindlichkeit besteht, kann Befreiung hiervon nach § 257 BGB verlangt werden. Die Ehefrau hat verschiedene Möglichkeiten der Befreiung, nämlich durch Freistellungserklärung der Bank, Zahlung oder Umschuldung.

Voraussetzung für den Befreiungsanspruch ist das Scheitern der Ehe. Die herrschende Meinung versteht unter Scheitern der Ehe den endgültigen Auszug eines Ehegatten aus der früheren Ehewohnung (vgl. OLG Stuttgart a.a.O., BGH, FamRZ 2005, 1236; OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 1172 ). Insbesondere bei neuen Partnerschaften und einer Trennung ohne Rückkehrabsicht wird das Scheitern der Ehe vorliegen. Vielfach wird zwar das Scheitern der Ehe bejaht, gleichwohl werden die unterhalts– und güterrechtlichen Fragen als Argument verwendet, noch nicht von einem Scheitern der Ehe zu sprechen. Dem hat das OLG Stuttgart eine klare Absage erteilt.

Der Freistellungsanspruch kann durch das Gebot der Rücksichtnahme gemäß § 1353 Abs.1 S.2 BGB, der auch über das Scheitern der Ehe hinaus wirkt, eingeschränkt sein. Das Interesse eines Freistellungsschuldners, weiter in der ihm gehörenden Immobilie zu wohnen hat keinen Vorrang vor dem Interesse des Freistellungsgläubigers auf Haftentlassung. Notfalls muss das ehemalige Familienheim verwertet werden, um den Freistellungsanspruch zu erfüllen. Die frühere Motivation der Kreditaufnahme, ein Familienheim anzuschaffen, kann die Fälligkeit des Freistellungsanspruchs nicht verlängern.

Etwas anderes gilt dann, wenn hinreichend feststeht, dass der Eigentümer durch den Einsatz sonstiger Mittel oder finanzieller Hilfen Dritter oder Verwandter kurzfristig in der Lage sein wird, den Freistellungsauftrag bei der Bank herbeizuführen. Hierzu müssen jedoch konkrete Finanzierungsunterlagen und Gespräche dargelegt werden. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Freistellungsklage dürfte dann nicht vorhanden sein, wenn ein Verkaufsauftrag durch einen Immobilienmakler nachgewiesen wird und durch den Veräußerungserlös ohnehin die Darlehensverpflichtungen wegfallen. Hierbei wird jedoch kein unbeschränkter Zeitraum zur Verfügung stehen, um Missbrauch vorzubeugen. Ein kurzfristiger möglicher Abschluss der Folgesache Unterhalt und Zugewinnausgleich mit bereits vorhandenen konkreten Zahlen kann eine Freistellungsklage verhindern. Wenn sich eine entsprechende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abzeichnet kann ein weiteres Zuwarten zugemutet werden, da dann nur ein abstraktes Vollstreckungsrisiko besteht. Umgekehrt kann sich bei einer fehlenden Leistungsfähigkeit ein abstraktes Risiko des Freistellungsgläubigers in ein konkretes Vollstreckungsrisiko wandeln (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.)

Oftmals wird das Gebot der Rücksichtnahme mit der Unterhaltsfrage bzw. Kreditbedienung gekoppelt. Wenn der Freistellungsgläubiger die Kredite bedient, ergibt sich oftmals kein Unterhaltsanspruch. Die Freistellungsschuldnerin ist angehalten selbst die Kreditraten zu bedienen, um einen entsprechenden Unterhalt zu realisieren. Wenn sich keine entsprechende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abzeichnet kann ein weiteres Zuwarten nicht zugemutet werden. Gleiches gilt für ungewisse Zugewinnausgleichsansprüche.

Resumé
Der Freistellungsanspruch beschäftigt die Familiengerichte in einer Vielzahl von Fällen. Angesichts des hohen Streitwerts müssen Vorkehrungen getroffen werden, um den Grundsätzen der Rechtsprechung zu genügen. Rechtsbegriffe wie Scheitern der Ehe und Gebot der Rücksichtnahme mit Interessenabwägung sind von fundamentaler Bedeutung. Der Freistellungsschuldner ist schon kurz nach der Trennung einem erheblichen Druck ausgesetzt, im Hinblick auf Kreditraten, Umschuldung und Verkauf. Gleichwohl muss bei einer Vollfinanzierung und fehlender Leistungsfähigkeit des Freistellungsschuldners die Konsequenz eines Titels betrachtet werden. Die Freistellung wird nach § 887 ZPO vollstreckt, was zu einer Vorauszahlung in Höhe der Freistellung führt. Bei mangelnder Leistungsfähigkeit des Freistellungsschuldners führt dies zur Zwangsversteigerung und einer weiteren Haftung, die bei einem freihändigen Verkauf abgemildert werden könnte.
Dr.jur Werner Nickl, Fachanwalt für Familienrecht

geschrieben am: 28.09.2011 - 18:56:35 von: blaurani in der Kategorie Familienvermögensrecht
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