„Kinderkrankheiten“ im Arbeitsrecht 5/5

Gestern war es nur eine kleine Schnupfennase, heute Morgen aber tut alles weh und die Stirn ist heiß. Schnell das Fieberthermometer holen. Glatte 40 Grad, na toll. Kurzer Faktencheck: in die KiTa geht nicht, Oma ist nicht in der Nähe, im Geschäft heute wichtige Termine, Kinderarzt, Apotheke, diverse Telefonate, und so weiter. Spätestens jetzt steht den berufstätigen Eltern auch der Schweiß auf der Stirn. Wenig tröstlich, aber statistisch gesehen fangen sich Kindergartenkinder etwa 10 Infekte pro Jahr ein. Einige erwischt es immer, manche sind wahre Experten im Einfangen von Viren und Bakterien. Jeder Krankheitsfall ist immer wieder ein Kraftakt für die Familien, denn das Betreuungskonzept wird auf die Probe gestellt. Besonders hart trifft es Alleinerziehende oder Familien, in denen beide Elternteile berufstätig sind. Es gibt doch Kinderkrankengeld, 10 oder gar 20 Tage bezahlten Sonderurlaub pro Jahr? Schön wär’s. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind kompliziert, sehr uneinheitlich und nicht mehr zeitgemäß.

Man möchte am Liebsten den Erregern einen offenen Brief schreiben, nach dem Motto: „Wenn ihr unser Kind schon nicht verschonen wollt, haltet euch wenigstens an folgende Spielregeln (wenn ihr sie versteht)“: Nach § 616 BGB haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitsbefreiung ohne Entgeltkürzung „für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“. Die Dauer der Freistellung muss – wie so oft – nach den „Umständen des Einzelfalles“ beurteilt werden. Unklar? Meistens 10 Tage pro Kalenderjahr, je nach Tarifvertrag können es auch nur 4 Tage sein und in manchen Arbeitsverträgen ist § 616 ausgeschlossen. Bei Beamten gelten wieder Sonderregeln, sie können „in begründeten Einzelfällen“ eine Dienstbefreiung über 4 Tage hinaus erhalten. Letzter Notnagel ist der unbezahlte Urlaub, wobei die Zeit mit einem kranken Kind nicht wirklich Urlaub ist. Es gibt das „Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes“ (§ 45 SGB V) mit 70 % des beitragspflichtigen Einkommens, maximal aber 90 % des Nettogehalts, und längst nicht für alle Eltern: das Kind darf noch nicht 12 sein (Ausnahme: behindertes Kind), Kind und betroffener Elternteil müssen gesetzlich krankenversichert sein, der Arzt muss ab dem ersten Tag ein spezielles Attest ausstellen, usw. Außerdem darf kein Anspruch auf bezahlte Freistellung bestehen (siehe oben). Merken: Wer also schon 5 Tage bezahlten Sonderurlaub hatte, bekommt maximal noch 5 weitere Tage Krankengeld. Fies: wenn das Kind im Urlaub der Eltern krank wird. Die Eltern bekommen nichts gutgeschrieben, der Urlaub gilt als genommen. Selbstständige und Privatversicherte sind sowieso außen vor. Viele Eltern lassen sich kurzerhand selbst krank schreiben und der Arbeitgeber muss zahlen. Das klingt nicht nach der richtigen Lösung und ist überdies, wenn keine Erkrankung vorliegt, auch noch illegal. Also, liebe Eltern, lasst Euch nicht kleinkriegen. Das Unausweichliche kommt bestimmt. Wollen wir einfach mal hoffen, dass möglichst viele Arbeitgeber bei der Freistellung kulant sind und die Kollegen verständnisvoll.

Weitere Informationen:
Rechtsanwalt Dirk Vollmer, Fachanwalt für Familienrecht, Stephanienstraße 8, 76133 Karlsruhe

geschrieben am: 30.07.2012 - 18:54:36 von: ghj87gd in der Kategorie Praxiserfahrungen
(Geändert 08.10.2020 - 14:33:45) 2616 mal gelesen
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