Krankheit kein ehebedingter Nachteil ( BGH ) 0/5

Die Krankheit des unterhaltsbedürftigen Ehegatten stellt regelmäßig keinen ehebedingten Nachteil dar. Das gilt auch dann, wenn eine psychische Erkrankung durch die Ehekrise und Trennung ausgelöst worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 30.06.2010 - XII ZR 9/09 ).

Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Befristung nachehelichen Krankheitsunterhalts. Die Parteien heirateten 1986. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Die Scheidung ist rechtskräftig seit 14. November 1997. Der Unterhalt ist zuletzt festgelegt worden durch Urteil des Amtsgerichts, bestätigt durch das Urteil des Berufungsgerichts aus dem Jahr 2001. Danach wurde der Unterhalt fünf Jahre nach Rechtskraft der Scheidung gemäß §1578 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. herabgesetzt und beträgt seit dem 14. November 2002 DM 1.300 Elementarunterhalt, DM 269 Krankenvorsorge- und DM 34 Pflegevorsorgeunterhalt (insgesamt umgerechnet ca. 820 €). Der Kläger zahlt wegen erhöhter Versicherungsbeiträge nunmehr monatlich insgesamt 899 €. Der Kläger begehrt die Befristung des Unterhalts und beruft sich auf die seit 2008 geänderte Gesetzeslage sowie die Unbilligkeit einer weiteren Unterhaltspflicht. Die 1962 geborene Beklagte absolvierte in der Ehe erfolglos mehrere Prüfungen zur Versicherungskauffrau und erwarb 1988 schließlich - gefördert durch das Arbeitsamt - einen Abschluss zur Stenokontoristin. 1988 übernahm sie die Pflege ihrer schwerbehinderten Großmutter. Erst 1990 fand die Beklagte eine Arbeitsstelle mit 20 Wochenstunden, verlor diese aber schon nach zwei Wochen. Seit 1993 besaß sie eine Gewerbeerlaubnis als Immobilienmaklerin. Die Beklagte leidet an einer paranoiden Psychose. Nach dem im Vorprozess eingeholten psychiatrischen Gutachten hat die Krankheit ihre Wurzeln in der Kindheit (Verhältnis der Beklagten zu ihren Eltern), ist jedoch erst durch die Ehekrise und Trennung der Parteien im Jahr 1996 zu Tage getreten. Während im Vorprozess noch eine spätere Arbeitsfähigkeit der Beklagten für möglich gehalten wurde, steht nach einer weiteren erfolglosen mehrmonatigen Therapie fest, dass die Beklagte dauerhaft arbeitsunfähig ist.
Entscheidung

Das Amtsgericht hat den Unterhalt bis einschließlich November 2008 befristet. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit welcher er die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung anstrebt.

1. Generelle Befristungsmöglichkeit des krankheitsbedingten Unterhalts

Der BGH stellt zunächst fest, dass ab dem 01.01.2008 der nacheheliche Krankheitsunterhalt nach §§ 1578 b Abs. 2, 1572 BGB befristet werden kann.

Der Unterhalt ist vom Familiengericht zu befristen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§ 1578 b Abs. 2 Satz 2 BGB b). Die Regelung in § 1578 b BGB ist nach Auffassung des BGH nicht wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig. Es entspricht der mit dem Unterhaltsrechtsänderungsgesetz verfolgten Absicht des Gesetzgebers, sich in weiten Teilen auf konkretisierungsbedürftige Grundaussagen und Generalklauseln zu beschränken und damit den Gerichten einen relativ breiten Spielraum zu geben, um dem konkreten Einzelfall nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten gerecht zu werden.

2. Krankheit ist generell kein ehebedingter Nachteil

Da aus der Ehe keine Kinder hervorgegangen sind, kann der Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB - allein - auf der fortwirkenden nachehelichen Solidarität beruhen (BGH, FamRZ 2009, 1207 Tz. 37). Eine Befristung des Unterhalts kann nicht wegen ehebedingter Nachteile begründet werden. Dass in der Erkrankung der Beklagten hier - ausnahmsweise - ein ehebedingter Nachteil liegen sollte, wurde verneint. Denn die Erkrankung der Beklagten steht nicht im Zusammenhang mit der Rollenverteilung in der Ehe oder sonstigen mit der Ehe verbundenen Umständen (vgl. BGH, FamRZ 2010, 1057 Tz. 15 m.w.N.). Dass eine psychische Erkrankung - wie im vorliegenden Fall - in der Ehekrise aufgetreten oder durch diese sogar ausgelöst worden ist, begründet für sich genommen keinen ehebedingten Nachteil im Sinne von §1578 b Abs. 1 Satz 2 BGB. Unter ehebedingten Nachteilen sind nach BGH vornehmlich solche Einbußen zu verstehen, die sich aus der Rollenverteilung (vgl. §1356 BGB) ergeben, nicht aber aus sonstigen persönlichen Umständen, die etwa mit dem Scheitern der Ehe zusammenhängen. Auch wenn der Ausbruch der Krankheit schließlich durch die Ehekrise ausgelöst worden ist, liegt damit die Krankheitsursache nicht in der Ehe als solcher oder der mit ihr verbundenen Rollenverteilung, sondern in den persönlichen Umständen der Parteien und ihrer schicksalhaften Entwicklung.

3. Ausnahmefall des ehebedingten Nachteils

Der BGH führt jedoch in diesem Zusammenhang aus, dass im Einzelfall der Unterhaltspflichtige auch unabhängig von der Ehe für die Krankheit des Unterhaltsbedürftigen (mit-)verantwortlich sein kann und dies als Billigkeitsgesichtspunkt zu berücksichtigen ist. Solche Umstände müssen jedoch konkret vorgetragen und belegt sein. Vorliegend wurde der Ausbruch der Krankheit im Zusammenhang mit der Ehekrise als schicksalsbedingt bezeichnet. Dabei hat es auch ein etwaiges Trennungsverschulden des Klägers zu Recht für nicht erheblich gehalten.

4. Fortwirkende eheliche Solidarität

Es kommt vorliegend die fortwirkende eheliche Solidarität als wesentlicher Billigkeitsmaßstab in Betracht. Demnach setzt die Frage der Befristung eine umfassende Würdigung aller Einzelfallumstände voraus. Auch wenn keine ehebedingten Nachteile vorliegen, ist die Befristung als gesetzliche Ausnahme nur bei Unbilligkeit eines weitergehenden Unterhaltsanspruchs begründet. Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung des §1578 b BGB in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob die im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder wesentliche Umstände nicht berücksichtigt wurden. Der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt insbesondere, ob der Tatrichter sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, FamRZ 2009, 1990 Tz. 19 und FamRZ 2010, 869 Tz. 48).Diesen Anforderungen genügt das Oberlandesgericht im konkreten Fall nicht.

Das OLG hat zunächst das Einkommen des Klägers als Gesichtspunkt herangezogen, welches sich nach der Behauptung der Beklagten gegenüber dem früheren Einkommen deutlich erhöht haben soll. Das ist insoweit zutreffend, auch wenn der Unterhalt bereits im Vorprozess auf den angemessenen Bedarf herabgesetzt worden ist und damit der Höhe nach vom Einkommen des Klägers unabhängig ist. Denn von der Höhe des Einkommens hängt es ab, in welchem Ausmaß der Unterhaltspflichtige durch die fortwährende Unterhaltspflicht belastet wird, was als Billigkeitsaspekt im Rahmen von § 1578 b BGB zu berücksichtigen ist. Der Unterhaltspflichtige, der wie der Kläger eine unbillige Belastung durch den Unterhalt geltend macht, trägt, wenn sein Einkommen nicht bereits vorrangig bei der Bedarfsermittlung zu klären ist, für sein - unzureichendes - Einkommen die Darlegungs- und Beweislast.
Für die generelle Bewertung des Krankheitsunterhalts spielt durchaus eine Rolle, dass die Krankheit regelmäßig schicksalsbedingt ist und nur im zeitlichen Zusammenhang mit der Ehe steht (BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 - Tz. 37). Daraus darf aber nicht der umgekehrt fehlerhafte Schluss gezogen werden, dass der Krankheitsunterhalt stets zu befristen wäre. Vielmehr spielt es für die generelle Bewertung des Krankheitsunterhalts durchaus eine Rolle, dass die Krankheit regelmäßig schicksalsbedingt ist und nur im zeitlichen Zusammenhang mit der Ehe steht. Maßgeblich kommt es dann darauf an, welches Vertrauen der Unterhaltsbedürftige angesichts des Verlaufs der Ehe auf den Fortbestand des Unterhalts haben durfte.

5. Bewertungsmaßstäbe für Billigkeitsabwägung nach § 1578 b BGB

Wesentliche Aspekte nach BGH sind :
- Ehedauer(maßgebend ist Eheschließung bis Zustellung Scheidung)
- die Rollenverteilung während der Ehe
- Erbrachte Lebensleistung des Unterhaltsberechtigten während der Ehe
- wirtschaftliche Verhältnisse der Parteien
- Unterhaltszahlungen bis bis zur Rechtskraft der Scheidung
- Unterhaltszahlungen bis zum Abänderungsbegehren
- Titulierung des Unterhalts bis zum 31.12.2007 als Vertrauensschutz

Die Familiengerichte müssen die vorstehend aufgeführten Gesichtspunkte fehlerfrei würdigen. Das ergibt sich bereits aus der Intention des Gesetzgebers, dass die nacheheliche Solidarität nicht irgendwann nach der Scheidung endet. Im konkreten Fall hat der BGH dem Oberlandesgericht noch Folgendes mitgegeben:

Auch bei einem Einkommen des Klägers in der von der Beklagten behaupteten Größenordnung von mindestens 4.000 € ist der Unterhalt zu befristen. Bei einer Dauer der Ehe von nicht mehr als elf Jahren und einem Alter der Beklagten von 35 Jahren bei Scheidung der kinderlosen Ehe entspricht eine unbefristete und somit lebenslange Unterhaltspflicht nicht mehr der Billigkeit. Dem steht auch nicht ohne weiteres entgegen, dass der Unterhaltsberechtigte durch den Wegfall des Unterhalts sozialleistungsbedürftig wird (vgl. BGH FamRZ 2010,1057).

Wenn der Unterhalt nach der bis zum Dezember 2007 geltenden Rechtslage tituliert ist, ist nach BGH, als ein den Vertrauensschutz des Unterhaltsberechtigten verstärkendes Element, bereits im Rahmen der Entscheidung über die Befristung des Unterhalts zu berücksichtigen. Im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung ist auch die gesetzliche Bewertung zur Zumutbarkeit einer Abänderung nach § 36 Nr. 1 EGZPO zu beachten

Dr. jur. Werner Nickl Fachanwalt für Familienrecht, Eislingen

geschrieben am: 09.08.2010 - 13:59:29 von: blaurani in der Kategorie Unterhalt
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Fragen und Antworten: 3 Kommentare


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22.01.2013 - 10:30:51:
Also seit der Rechtskraft und neuer Termin OLG bei dem Vergleich gemacht wurde(zu gunsten der EX) Haben sich Psycho und Trigger und Depris...
26.04.2011 - 17:42:15:
Es klappt!! Die Ex darf auf dem D.A sitzen
23.08.2010 - 13:56:14:
Was ist aber wenn Ex auf Depri macht keine eigenen Kinder vorhanden sind Pflegekinder aufgenommen wurden und beide über Jahre Erziehung usw...

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Zum Thema Scheidung, Unterhalt und Sorgerecht

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