ledige Väter können ab sofort das Sorgerecht einklagen 5/5

(Bearbeitungsstand: 13.08.2010)

Nach dem neuen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.07.2010 (1BvR 420/09; Link siehe unten) können ledige Väter nun das Sorgerecht auch unabhängig von der Zustimmung der Mutter erhalten - auch in Altfällen.

Zur Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 03.08.2010: http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg10-057.html

Direkt zum vollständigen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20100721_1bvr042009.html

Bisher galt: Waren die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, steht das Sorgerecht allein der Mutter zu. Der Vater konnte nur sorgeberechtigt werden, wenn er die Mutter
heiratete oder die Mutter der gemeinsamen Sorge ausdrücklich zustimmte (Sorgeerklärungen). Weigerte sich die Mutter oder war sie zur höchstpersönlichen Zustimmung nicht oder nicht mehr in der
Lage, konnte der Vater das Sorgerecht nicht erhalten. Der Vater konnte die Entscheidung der Mutter auch nicht gerichtlich überprüfen lassen. Nur in Extremfällen nachgewiesener Kindeswohlgefährdung
war dem Familiengericht Ermessen eröffnet für bestimmte Maßnahmen, was aber nicht gleichzusetzen ist mit einer Sorgerechtsübertragung auf den Vater.

In Berlin werde bereits an einer Gesetzesreform gearbeitet, versicherte Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger. Das wird auch Zeit, denn spätestens seit dem Urteil des EGMR vom 03.12.2009 war klar, dass das deutsche Recht gegen das Diskriminierungsverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstößt.

Schon 2003 wies das Bundesverfassungsgericht darauf hin, es könne ein Verstoß gegen das Elternrecht des Vaters sein, wenn sich herausstellen sollte, dass es - entgegen der Annahme des Gesetzgebers - in größerer Anzahl aus Gründen, die nicht vom
Kindeswohl getragen sind, nicht zur gemeinsamen Sorgetragung von Eltern nichtehelicher Kinder kommt.

Heute gilt genau das als erwiesen. In vielen Fällen haben die Väter zwar die Vaterschaft für das Kind anerkannt, Sorgeerklärungen wurden jedoch nicht abgegeben – vielfach in Unkenntnis der Rechtslage. Später, meist erst nach der Trennung der Eltern, erlebten die Väter dann die bittere Enttäuschung, dass die Mutter allein entscheiden darf, ob der Vater gleichberechtigt ist.

Die Karlsruher Richter haben dem Gesetzgeber nicht nur einen Auftrag zur Neuregelung erteilt, sondern eine eigene Übergangsregelung getroffen, die ab sofort gilt: Das Familiengericht darf nun –
auch gegen den Willen der Mutter - auf Antrag des Vaters das gemeinsame Sorgerecht einräumen, wenn dies dem Kindeswohl entspricht. Es kann dem Vater auch das alleinige Sorgerecht übertragen, wenn gewichtige Gründe des Kindeswohls dafür sprechen. Die Vorgabe ist klar: Der Fokus des neuen Gesetzes muss auf das Kindeswohl gerichtet sein und eine Änderung des Sorgerechts darf nicht mehr allein am Veto eines Elternteils scheitern. Kurz gesagt: Gleichberechtigung nicht nur dann, wenn die Mutter es will.

Nach den aktuellen Plänen der schwarz-gelben Regierungskoalition sollen unverheiratete Eltern von Anfang an ein gemeinsames Sorgerecht für ihr Kind erhalten - es sei denn, die Mutter widerspricht. Angeblich werde auch eine gesetzliche Regelung für ältere Fälle gesucht. Man könne „nicht ausblenden, dass viele ledige Väter jahrelang keine Chance hatten, bei Gericht das Sorgerecht
durchzusetzen“, äußerte sich die Bundesjustizministerin.

Die familienpolitische Sprecherin der SPD, Christine Lambrecht, forderte, ein gemeinsames Sorgerecht solle es für Väter geben, die
„kontinuierlich Verantwortung für ihr Kind übernähmen und regelmäßig Unterhalt zahlten“. Es dürfte indessen den Vorgaben des EGMR und des BGH nicht genügen, dem Vater erst nach Erfüllung eines „Pflichtenhefts“ den Zugang zu seinem verfassungsmäßigen Recht zu öffnen. Ob die Eltern ihren Verpflichtungen kontinuierlich nachgekommen sind, lässt sich nur in der Rückschau beurteilen – bis
dahin kann aber, gerade in Trennungsfamilien, schon einige Zeit verstrichen sein bzw. bis dahin hatte der in Trennung lebende Vater häufig noch gar keine Chance, seine Bereitschaft zur Übernahme von
Verantwortung in einer Art „Wohlverhaltensphase“ unter Beweis zu stellen. Und: Eine Verbindung von Kindesunterhalt und Sorgerecht/Umgangsrecht gibt es nicht.

Grundsätzlich sollten beide Eltern ab Geburt ihres Kindes gemeinsame Verantwortung tragen. Später, wenn ein Elternteil hierzu nicht mehr
in der gebotenen Weise bereit ist, kann das Familiengericht sein Sorgerecht einschränken oder entziehen. Schwierig für den Gesetzgeber zu lösen sind Extremfälle, beispielsweise Vergewaltigungen oder Fälle, in denen die Vaterschaft des „flüchtigen“ Vaters erst mühsam gerichtlich festgestellt werden muss. Wäre hier der Vater automatisch mitsorgeberechtigt, wäre das regelmäßig mit dem Kindeswohl nicht zu vereinbaren. Außerdem würde man die Mutter zu einem familiengerichtlichen Verfahren zwingen, um die Alleinsorge zu erhalten. Es sind also noch etliche Fragen offen.

Betroffene Väter, denen bisher die Einräumung von (Mit-)Verantwortung verweigert blieb, müssen das neue Gesetz aber nicht abwarten; ihre Anträge können und sollten schon jetzt beim Familiengericht eingereicht werden. Die Verfassungsrichter haben dies ausdrücklich zugelassen - außerdem ist nicht ausgeschlossen, dass das neue Gesetz an anderer Stelle neue Hürden aufbaut, z.B. Beschränkungen bei der Zulässigkeit von Verfahren oder über die Kostenentscheidung zu Lasten des antragstellenden Vaters.

In jedem Einzelfall muss geprüft werden, ob genügend Gründe und Argumente vorliegen (Kindeswohl), die die Änderung des Sorgerechts rechtfertigen. Zulässig sind Anträge auf Einröumung der Mitsorgeberechtigung (auch gegen den Willen der Mutter) und Anträge auf Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater. Möglich ist das jeweils auch in Teilbereichen der Elterlichen Sorge, also z.B. Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge oder Vermögenssorge.

Weitere Informationen:
Rechtsanwalt Dirk Vollmer, Fachanwalt für Familienrecht, Stephanienstraße 8, 76133 Karlsruhe

geschrieben am: 13.08.2010 - 14:10:00 von: ghj87gd in der Kategorie Sorgerecht
(Geändert 08.10.2020 - 14:33:34) 14244 mal gelesen
Fragen und Antworten: 9 Kommentare


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12.03.2015 - 16:29:33:
hallo meine frage is und zwar meine exfreundin und ich kriegen ein Kind zusammen bei ihr ist aber das Problem sie is garnicht reif genug fü...
23.08.2014 - 19:52:25:
Hallo das sorgerecht wird doch in 5 rubriken aufgeteilt bildung medizin und und und oder ? wie heißen diese 5 rubriken
21.06.2013 - 18:16:14:
Ich habe für meinen nun echt 6 jährigen Sohn das alleinige Sorgerecht. Der Vater der Kinder kümmert sich zwar um ihn mehr oder weniger sp...

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