Nachehelicher Betreuungsunterhalt 4.5/5

Für die Zeit ab Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes steht dem betreuenden Elternteil nach aktuellen Entscheidungen des BGH unter Aufgabe des Altersphasenmodells nur noch ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus Billigkeitsgründen zu (vgl. BGH Urteil vom 28.01.2009 – XII ZR 119 / 07; Urteil vom 18.03.2009 – XII ZR 74 / 08 ).

Ab 2008 hat der Gesetzgeber den nachehelichen Betreuungsunterhalt in § 1570 BGB grundlegend umgestaltet (vgl. BGH FamRZ 2008, 1739, 1747). Durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I 3189) sind der nacheheliche Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB) und der Unterhaltsanspruch bei Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes (§1615 l Abs. 2 BGB) weitgehend angeglichen worden. Auch der nacheheliche Betreuungsunterhalt ist nunmehr auf einen regelmäßigen Anspruch bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes begrenzt und kann lediglich aus Billigkeit unter Berücksichtigung kind- oder elternbezogener Gründe verlängert werden. Damit hat der Gesetzgeber dem unterhaltsberechtigten Elternteil die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Dauer von drei Jahren hinaus auferlegt ( vgl. BGH, Urteil vom 28.01.2009 – XII ZR 119 / 07; BGH FamRZ 2008, 1739, 1748).
Der BGH hat sich nunmehr eingehend zur Dauer des nachehelichen Unterhalts mit Urteil vom 18.03.2009 – XII ZR 74 / 08 geäußert. Er bestätigt das Urteil vom 28.01.2009 – XII ZR 119 / 07 - .Danach steht für die Zeit ab Vollendung des dritten Lebensjahres dem betreuenden Elternteil nach der gesetzlichen Neuregelung nur noch ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus Billigkeitsgründen zu. Damit ist nach BGH jedoch kein automatischer Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit verbunden. Nach der Vorgabe des Gesetzes gibt es kind- und elternbezogene Gründe, die nach dem neuen Unterhaltsrecht einen gestuften Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit ermöglichen ( BGH a.a.O).
Im Rahmen der Billigkeitsprüfung bilden die kindbezogenen Verlängerungsgründe das stärkste Argument. Von den Familiengerichten wird zukünftig stets der individuelle Umstand zu prüfen sein, ob und in welchem Umfang die Betreuung des Kindes auf andere Weise gesichert ist. Dabei hat der Gesetzgeber mit der Neugestaltung des nachehelichen Betreuungsunterhalts in §1570 BGB für Kinder ab Vollendung des dritten Lebensjahres den Vorrang der persönlichen Betreuung durch die Eltern gegenüber einer anderen kindgerechten Betreuung aufgegeben. Entscheidend ist nunmehr, ob das Kind nach Vollendung des dritten Lebensjahres einen Kindergarten oder Kindertagesstätte besucht oder unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse besuchen könnte. Dies wird die Familiengerichte in Zukunft erheblich beschäftigen und umfangreiche Ermittlungen verlangen.
Auf der Grundlage der früheren gesetzlichen Regelung hatten Rechtsprechung und Literatur ein Altersphasenmodell entwickelt, das für die Zeit bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres des Kindes grundsätzlich nur eine halbschichtige Erwerbspflicht des betreuenden Elternteils vorsah. Diese Rechtsprechung war auch aus verfassungsrechtlicher Sicht bis zum Inkrafttreten der Neuregelung Anfang 2008 hinzunehmen (BVerfG FamRZ 2007, 965, 973).

Der BGH hat ausdrücklich festgestellt, dass das frühere Altersphasenmodell, welches eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts allein vom Kindesalter abhängig macht nicht mehr haltbar ist.

Wenn die Betreuung des Kindes sichergestellt ist, können einer Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils allerdings auch andere Gründe entgegenstehen. So kann der verbleibende Betreuungsanteil neben der Erwerbstätigkeit zu einer überobligationsmäßigen Belastung führen. Eine nachehelicher Solidarität, etwa ein in der Ehe gewachsenes Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung, kann ebenfalls zu einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts führen.
Diese Billigkeitsabwägung, etwa der Aspekt einer überobligationsmäßigen Beanspruchung durch Erwerbstätigkeit oder nacheheliche Solidarität, obliegt grundsätzlich dem Tatrichter und kann von den Rechtsmittelgerichten nur auf Rechtsfehler überprüft werden. Der BGH betont in diesem Zusammenhang die Umstände des Einzelfalles
Hinweis:
Der BGH hat bereits Grundsätze der Begrenzung des Betreuungsunterhalts mit Urteil vom 28.01.2009 – XII ZR 119 / 07 festgelegt. Bestätigt und präzisiert wurde dies nunmehr mit Urteil vom 18.03.2009 – XII ZR 74 / 08. Für die Familiengerichte bedeutet dies eine längere Verfahrensdauer und gründliche Aufarbeitung des vorgetragenen Sachverhalts. Die vom BGH verlangte Billigkeitsabwägung, die einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt auch über das dritte Lebensjahr ermöglicht verlangt eine dezidierte Darstellung der individuellen Lebensumstände. Betreuungskonzept, überobligationsmäßige Belastung des betreuenden Elternteils, sowie Rollenverteilung in der Ehe sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die einen entsprechenden konkreten Sachvortrag verlangen. Hierbei ist wegen der Beweislast des betreuenden Elterteils ein entsprechender anwaltlicher Sachvortrag notwendig. Das gesamte soziale Umfeld einschließlich beruflicher Werdegang und Krankheitsverläufe können eine Rolle spielen. Das vom BGH abgeschaffte Altersphasenmodell wird jetzt als abgestufter Übergang bezeichnet. Die Erwerbstätigkeit setzt wesentlich früher ein, wobei man grob davon ausgehen kann, dass ab dem 3. Lebensjahr eine Teilzeitbeschäftigung auf Basis 400,- EUR zugemutet werden kann. Ab dem 6.Lebensjahr eine Halbtagstätigkeit und ab dem 8. Lebensjahr eine Vollbeschäftigung. Dabei kann sich jedoch im Einzelfall eine wesentliche Verlängerung aus der vorhandenen „Sozialstruktur“ ergeben.
(Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Dr. Werner Nickl, Eislingen)

geschrieben am: 20.03.2009 - 17:46:11 von: blaurani in der Kategorie nachehelicher Unterhalt
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Fragen und Antworten: 5 Kommentare


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19.08.2012 - 15:58:29:
ist nachehelicher unterhalt gleichzu setzen mit betreuungsunterhalt?
28.06.2009 - 13:55:32:
Altersgrenzen für die Arbeitsaufnahme gibt es wohl doch? Warum wird dies so schwierig umschrieben ?
16.04.2009 - 11:51:03:
Gerne würde ich wissen wann der nacheheliche Unterhalt bei Annahme eines Vollzeitsjobs ( vorher nur halbtags )gekürzt werden kann. Ab wiev...

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