Neue Regelung für das Sorgerecht bei unverheirateten Eltern 5/5

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte am 21.07.2010 (1 BvR 420/09) die alte Regelung für verfassungswidrig erklärt und damit eine Reform erforderlich gemacht. Seitdem gilt als „Übergangslösung“: In den Fällen, in denen die Mutter eine gemeinsame Sorge ablehnt, haben jetzt die Väter erstmalig Zugang zum Familiengericht und wenn die Übertragung dem Wohle des Kindes nicht widerspricht, wird die gemeinsame Sorge eingerichtet.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger unmittelbar nach dem Beschluss des BVerfG: „Ich begrüße die heutige Entscheidung ausdrücklich, weil sie den betroffenen Vätern ab sofort mehr Rechte bei der Ausübung der gemeinsamen Sorge verschafft. Das Urteil bestärkt mich in meinen Überlegungen, die Rechte der Väter nichtehelicher Kinder deutlich zu verbessern. Ich will eine Reform, die den betroffenen Vätern Wege aufzeigt, wie sie auch ohne vorherige gerichtliche Entscheidung ihr Sorgerecht ausüben können.“

Inzwischen liegt der Gesetzesentwurf vor. Hiernach würde es bei der Alleinsorge der Mutter von Kindesgeburt an bleiben. Unverheiratete Eltern würden nur dann gemeinsam sorgeberechtigt, wenn das Familiengericht dies anordnet. Das gerichtliche Verfahren würde dahingehend vereinfacht, dass das Fehlen entgegenstehender Gründe gesetzlich vermutet würde – es sei denn, die Mutter widerspricht fristgemäß oder für das Gericht sind Hinderungsgründe offensichtlich. Das Jugendamt wäre am Verfahren nicht wirklich beteiligt, ihm würde die Entscheidung bloß „formlos mitgeteilt“.

Dieses Verfahren wäre ein absoluter „Fremdkörper“. Aus der richterlichen Entscheidung wird quasi ein formularmäßiger Verwaltungsakt, denn der Richter müsste nur selten eine inhaltliche Prüfung vornehmen. Objektiv betrachtet liegt darin weiterhin eine Ungleichbehandlung nach dem Geschlecht des Elternteils, mag das Verfahren noch so vereinfacht sein. Ist diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt?

Bereits der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte in seinem Urteil ausgeführt, er erkenne an, dass es triftige Gründe dafür geben kann, einem nicht verheirateten Vater die Teilhabe an der elterlichen Sorge zu versagen, was der Fall sein könne, wenn Streitigkeiten oder mangelnde Kommunikation zwischen den Eltern das Kindeswohl gefährden. Solche Probleme, auch solche mit Potential zur Gefährdung des Kindeswohls, haben aber rein gar nichts damit zu tun, ob die Eltern verheiratet sind oder nicht.

Der jetzige Entwurf entspricht meiner Meinung nach nicht den Vorgaben des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK, dort Art. 8 und Art. 14). Es ist nämlich nicht nachvollziehbar, weshalb der nicht verheiratete Vater weitere Hürden nehmen muss (seien sie auch vermeintlich noch so „unbürokratisch“) – der verheiratete Vater hingegen nicht. Heiraten die Kindeseltern, wird der Vater automatisch mit sorgeberechtigt – ohne dass sich das Familiengericht zuvor vergewissert hat, ob die Voraussetzungen für die gemeinsame Sorge vorliegen. Entweder erfolgt eine familiengerichtliche Prüfung gar nicht oder in jedem Fall der Begründung oder Änderung des Sorgerechts. Wenn das Gericht schon eine sachliche Prüfung vornehmen soll, dann müsste theoretisch auch die Alleinsorge des Vaters möglich sein. Für den Entzug der elterlichen Sorge auf Seiten der Mutter bliebe aber weiterhin nur § 1666 BGB als rechtliche Grundlage (gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls), mit hohen Voraussetzungen für den vollständigen oder teilweisen Entzug des Sorgerechts.

In der öffentlichen Wahrnehmung ist das gemeinsame Sorgerecht der Regelfall. Viele sind überrascht, dass die Vaterschaft keine automatische Teilhabe an der elterlichen Verantwortung (Rechte und Pflichten) nach sich zieht, sondern verkürzt gesagt nur ein Umgangsrecht und eine Unterhaltspflicht begründet. Es ist deshalb nur sachgerecht, das Sorgerecht automatisch Mutter und Vater gleichermaßen zuteil werden zu lassen, sobald die Vaterschaft feststeht. Die diskutierten Problemfälle (ausgetragenes Kind nach Vergewaltigung, Gewalt in der Schwangerschaft, usw.) sind Fälle, in denen die Alleinsorge der Mutter evident ist. Diese wären ohne Weiteres zu lösen über ein herkömmliches Kindschaftsverfahren (auch als Eilverfahren), das z.B. vorgeburtlich beginnen könnte.

Weitere Informationen:
Rechtsanwalt Dirk Vollmer, Fachanwalt für Familienrecht, Stephanienstraße 8, 76133 Karlsruhe

geschrieben am: 30.07.2012 - 18:37:20 von: ghj87gd in der Kategorie Sorgerecht
(Geändert 08.10.2020 - 14:33:42) 2506 mal gelesen
Fragen und Antworten: 1 Kommentare


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13.01.2015 - 15:36:45:
kann meine tochter das alleinige sorgerecht erhalten?sie ist bei der bundeswehr angenommen worden und strebt dort eine berufliche laufbahn a...

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