Fromms Präservative (Quelle: Spiegel-online)

Ich gestehe, ich wußte nicht, was sich hinter dem Begriff „Fromms“ verbarg, der unsere Pubertät prägte. Ein hochinteressante Unternehmerpersönlichkeit mit Namen Julius Fromm.

Zitat aus Spiegel-online:Julius Fromm ermöglichte den Deutschen die Revolution im Bett: 1916 schuf er das erste Markenkondom. Der geniale, vergessene Unternehmer stieg zum Großfabrikanten auf, doch dann wurde er zweimal um sein Lebenswerk gebracht: Zuerst von den Nazis, später von den Kommunisten. Er hatte das Gespür, das einen großen Unternehmer auszeichnet: Zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort brachte er das richtige Produkt auf den Markt. Julius Fromm war der Vater des modernen Kondoms. Bald sagte, wer Präservativ meinte, schlicht „Fromms“. Doch obwohl das Kondom seit dem Auftauchen von Aids zu einem geradezu lebensrettenden Artikel geworden ist, geriet der Wegbereiter modernen Sexuallebens vollkommen in Vergessenheit. Fromm war Jude, deshalb wurde er von den Nationalsozialisten ins Exil getrieben; seine Firma schob Hermann Göring seiner Patentante zu.

Anders als er später oft behauptete, wurde Julius Fromm weder im preußischen Posen geboren noch Julius genannt. Tatsächlich kam er am 4. März 1883 in der damals russischen, 120 Kilometer östlich von Posen gelegenen Kleinstadt Konin zur Welt, und seine Eltern gaben ihm den Namen Israel. Er wuchs im dortigen Schtetl auf, dem jüdischen Ghetto, das von Armut und Frömmelei geprägt war. Zehn Jahre war Israel Fromm alt, als seine Eltern mit ihm und vier Geschwistern auf der Suche nach einem besseren Leben als klassische Wirtschaftsmigranten gen Westen zogen – nach Berlin. Wie für viele Ostjuden war auch für die Fromms die erste Station in der Reichshauptstadt das Scheunenviertel. Die Fromms landeten in der Mulackstraße, der ärmsten und verrufensten Ecke Berlins, wo, so ein zeitgenössischer Romancier, „Schwerverbrecher und Dirnen mit ihrem arbeitsscheuen Anhang“ hausten.

Kondomzwang in Soldatenbordellen

Anfangs drehten die Fromms Zigaretten. Der Vater starb früh, bald darauf die Mutter, und Israel musste für seine sechs jüngeren Geschwister sorgen. Doch das spornte den jungen Mann offenbar an. Er besuchte Abendkurse in Gummi-Chemie und gründete 1914 in einer Ladenwohnung in Berlin-Prenzlauer Berg die Einmann-Firma „Israel Fromm, Fabrikations- und Verkaufsgeschäft für Parfümerie und Gummiwaren“. 1916 schuf er das erste Markenkondom.

Schon Giacomo Casanova hatte zum Kondom gegriffen, das er in seinen Memoiren „English riding coat“, englischer Reitmantel, nannte. Die frühen Präservative, vorzugsweise aus Schafsdärmen oder Fischblasen hergestellt, waren allerdings noch sehr unzulänglich; hauptsächlich wurden sie von ausschweifenden Reichen verwendet, um sich gegen die Syphilis zu schützen. Die technischen Voraussetzungen für das moderne Kondom schuf 1839 der Amerikaner Charles Goodyear, der die Vulkanisation von Kautschuk, beziehungsweise das Gummi, erfand. Die ersten Kondome aus dem vielverheißenden Material ähnelten allerdings Fahrradschläuchen mit wulstigen Nähten. Ihre Beliebtheit hielt sich in Grenzen.

Im Ersten Weltkrieg fand das Kondom dann massenhafte Verbreitung. In den meisten Soldatenbordellen herrschte, um Infektionen mit Geschlechtskrankheiten vorzubeugen, Gummizwang. So lernten Millionen deutscher Männer ein Mittel kennen, mit dem sich nicht nur die Gesundheit schützen, sondern auch die Zahl der Kinder regulieren ließ.

Niederlassungen von Antwerpen bis Auckland

Als sich in der Weimarer Republik ein freieres Verhältnis zur körperlichen Liebe Bahn brach, war Julius Fromm mit seinen „nahtlosen, transparenten Spezialmarken Fromms Act“ zur Stelle. Sie „riechen nicht unangenehm, wirken also nicht illusionsstörend“, versprachen Anzeigen. Sie „isolieren nicht, das heißt, sie werden infolge ihrer seidenweichen Feinheit nicht als Fremdkörper empfunden.“ Bald produzierte der findige Fabrikant auch gemusterte Modelle in verschiedenen Farben.

Bereits 1922 hatte Julius Fromm seine erste größere Produktionsstätte in der Reichshauptstadt eröffnet. Acht Jahre später ließ er nach den Plänen von zwei Avantgarde-Architekten in Berlin-Köpenick eine hochmoderne Fabrik im Bauhaus-Stil errichten. 1926 produzierte Fromm 24 Millionen Kondome, seine Firma verfügte über internationale Niederlassungen von Antwerpen über Reykjavik bis Auckland.

In Deutschland waren die „Fromms“, wie Kondome jetzt genannt wurden, so populär, dass sich in Berlin die Bier-Kabarettisten und Piano-Humoristen der Gummis annahmen. „Fromms zieht der Edelmann beim Mädel an“, sangen sie, oder „Wenn’s Euch packt, nehmt Fromms Act“, wahlweise auch: „Ich bin ganz Fromms – zum Platzen gespannt.“

Fromm muss seine Firma an Görings Patentante verkaufen

Lange hatte sich Fromm einfach nicht vorstellen können, dass Hitler und die Nazis sich in seinem geliebten Deutschland dauerhaft an der Macht halten könnten. Sein ältester Sohn Max, der unter anderem bei Bertolt Brecht Theater gespielt hatte, war schon 1934 nach Paris geflüchtet, vier Jahre später erkannte auch Fromm, dass er sein Lebenswerk aufgeben musste.

Im November 1938 sah er sich gezwungen, seine Firma, die rund acht Millionen Reichsmark wert war, für 200.000 Schweizer Franken zu verkaufen. Die Erwerberin war eine österreichische Adlige, Baronin Elisabeth von Epenstein aus Mauterndorf, die Patentante Hermann Görings. Ihr verstorbener Mann, der Ritter Hermann von Epenstein, der nach Nazi-Kriterien „Halbjude“ war, hatte 15 Jahre lang ein Verhältnis mit Görings Mutter gepflegt und Hermann Göring zu seinem Vornamen verholfen.

Die Baronin durfte noch ein großes Landgut in Österreich arisieren, dafür schenkte sie Göring die mittelalterliche Burg Veldenstein bei Nürnberg, auf der der Reichsmarschall einen großen Teil seiner Kindheit verbracht hatte. Zudem vermachte sie Göring auch die Burg Mauterndorf in Österreich.

Kommunisten verhindern Rückgabe der Firma

Fromms Villa in Berlin-Schlachtensee wurde, nachdem eine seiner Schwestern, deren Mann und eine Schwägerin nach Auschwitz deportiert worden waren, dem Ritterkreuzträger Oberst Wolf Hagemann zur Verfügung gestellt. Die besten Stücke seiner Möbel und seines Hausrates kaufte die Gattin eines anderen hohen Offiziers zu einem niedrigen Preis; der Rest wurde öffentlich versteigert.

Julius Fromm war in seinem Londoner Exil zur Untätigkeit verdammt, seine Firma produzierte trotz Rohstoffknappheit ihr strategisch durchaus wichtiges Produkt weiter. Erst im Januar 1945 legten alliierte Bomber die moderne Fabrik in Schutt und Asche. Doch Kondome, das zeigt die Geschichte Julius Fromms, werden immer gebraucht – nach der Kapitulation des Deutschen Reiches von der Roten Armee: Schon im Sommer 1946 ordnete deren Berliner Stadtkommandant die Wiederaufnahme der Produktion in der alten Fabrik an.

Entsprechend dem Potsdamer Abkommen hätte Julius Fromm seine Fabriken als Opfer der Nazi-Diktatur wieder zurückbekommen müssen, doch dies hintertrieben kommunistische Funktionäre. Sie stilisierten Fromm als „kapitalistischen Ausbeutertyp“, der eine „unsoziale, arbeiterfeindliche, pronazistische Einstellung“ gehabt habe. Der nicht zu leugnende „Auf- und Ausbau der betrieblichen sozialen Einrichtungen“ wurde Fromm als „aktive Unterstützung der nationalsozialistischen Propaganda“ ausgelegt. Die Firma habe er aus freien Stücken „in Form eines guten Devisengeschäfts selbst an einen reaktionären Kaufpartner“ veräußert.

Herzversagen nach dem Sieg

Im Dezember 1949 – die DDR war gerade gegründet – wurde die Fromms Act in Volkseigentum überführt. In Westdeutschland belebten kurz drauf die Hanseatischen Gummiwerke in Zeven die Traditionsmarke neu. Fromms sind heute die am zweithäufigsten verkauften deutschen Kondome.

Ihr Erfinder und Namensgeber musste seine zweite Enteignung durch die Ost-Berliner Kommunisten nicht mehr miterleben. Am 12. Mai 1945, drei Tage nachdem Hunderttausende in London den Sieg über Nazi-Deutschland ausgelassen gefeiert hatten, brach Julius Fromm morgens zusammen, als er die Gardinen zurückziehen wollte. Der herbeigerufene Arzt konnte nur noch den Tod feststellen.

Julius Fromms Herz versagte, so heißt es in der Familie, weil er sich über den Untergang der Nazis und auf die Rückkehr nach Deutschland so sehr gefreut hatte.

 

Eine Reaktion zu “Fromms Präservative (Quelle: Spiegel-online)”

  1. kaascht

    obiger artikel über die firma fromms ist sehr
    gut bei mir angekommen und hat mir auch gezeigt, daß außer den nazis auch die kommunisten
    und viele diktatoren die juden ungerecht behandelten

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