Verschweigen von Erbschaft und Lebensversicherungszahlung führt zur Verwirkung von Unterhaltsansprüchen?

Das  OLG Koblenz hatte im Rahmen eines Unterhaltsprozesses auch darüber zu entscheiden, ob der Unterhalt durch das Verschweigen einer Erbschaft und das Verschweigen der Auszahlung einer Lebensversicherungssumme möglicherweise verwirkt worden sei oder jedenfalls herabzusetzen sei.
das OLG Koblenz 13 UF 594/08 dazu:

“ Die Beklagte hat zum einen die Auszahlung eines Erbschaftsanteils in Höhe von 18.000,00 € nach ihrer Mutter verschwiegen. Zum anderen hat sie erst mit Schriftsatz vom 03. September 2008 mitgeteilt, dass sie Anfang des Jahres 2008 knapp 50.000,00 € von ihrem Vater erhalten hatte. Nach der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 1997, 483) sind jedenfalls die Parteien eines Vergleichs verpflichtet, sich ungefragt zu informieren, falls sich ein für die Berechnung maßgebender Parameter wesentlich ändert.

Beides hätte die Beklagte an sich (früher) offenbaren müssen. Ob die Zinserlöse tatsächlich bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt worden wären oder ob sie sich nicht im Ergebnis als nicht zu berücksichtigende freiwillige Leistung Dritter dargestellt hätten, ist dabei -  für die Frage der Tatbestandserfüllung des § 1579 BGB – unerheblich. Es ändert nichts an der Offenbarungspflicht. Dass die neuere Rechtsprechung des OLG Koblenz dies anders sähe, wie die Beklagte behauptet,  ist für den Senat nicht erkennbar. Jedenfalls folgte der Senat bisher der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2000, 153), wonach auch in diesen Fällen eine Offenbarungspflicht besteht, und tut dies auch weiterhin.

Der Senat ist aber der Auffassung, es liege im Verhalten der Beklagten noch keine schwerwiegende Verletzung der Vermögensinteressen des Klägers.

Die Erbschaft ist relativ geringfügig. Dass die Beklagte hiervon zunächst offen stehende Prozesskosten bedienen durfte, steht außer Frage. Eine Anlage des verbleibenden Betrages hätte nur zu geringen Zinserlösen geführt, die die Unterhaltspflicht des Klägers kaum beeinflusst hätten. Anderes gilt zwar für die ihr zugeflossene Lebensversicherungssumme. Eine Anlage des Betrages von 50.000,00 € hätte den Unterhaltsanspruch  nicht unerheblich reduziert (bei einer Anlage zu 4% und einem geschätzten Zinserlös von rund 140,00 € pro Monat nach Steuern immerhin um 70,00 €). Allerdings hatte die Beklagte den Betrag erst Anfang des Jahres 2008 erhalten und dies im Schriftsatz vom 03.September 2008 von sich aus und ohne Nachfrage des Klägers mitgeteilt. Das mag nun nicht unbedingt zeitnah sein, liegt aber noch in einem Zeitrahmen, der für die Annahme der schwerwiegenden Folge der Verwirkung zu kurz ist, jedenfalls bei der relativ geringen Größenordnung, um die es hier nur geht.

Ob es zudem an der für den Tatbestand des § 1579 Nr. 5 BGB erforderlichen  Mutwilligkeit fehlt, kann dahinstehen, weil bereits der objektive Tatbestand nicht erfüllt ist.

Mein Kommentar

ich teile diese Auffassung des OLG nicht. eine Frau, die seit mehreren Jahren einen Unterhaltsbetrag von 700 € von dem geschiedenen Mann erhält, zudem eine eigene Rente von 800 € hat, hätte meines Erachtens die Erbschaft und die Auszahlung der Lebensversicherungssumme sogar voll einsetzen müssen, statt weiterhin Unterhalt zu bekommen. Nach § 1577 Abs. 3 BGB braucht der Berechtigte den Stamm seines Vermögens nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre. Dies kann ich hier nicht erkennen.

12 Reaktionen zu “Verschweigen von Erbschaft und Lebensversicherungszahlung führt zur Verwirkung von Unterhaltsansprüchen?”

  1. Henrietta

    Hallo Hr von der Wehl, wie ist es denn im umgekehrten Fall, wenn der Unterhaltspflichtige durch Erbschaft oder Lebensversicherung zu Geld kommt?
    Muss dieses Geld auf das unterhaltsrelevante Einkommen angerechnet werden und dementsprechend würde sich der Unterhalt erhöhen?

    Vielen Dank im Voraus.

    MfG
    Henrietta

  2. RA Thomas von der Wehl

    @ henrietta

    das Geld als solches, da es Vermögen ist, wird nicht auf das Einkommen selbst gerechnet, aber die Früchte (Zinsen usw), die aus dem Vermögen gezogen werden können, erhöhen das Einkommen und damit gegebenenfalls den Unterhalt.

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  3. Inge

    Guten Abend Herr von der Wehl,

    wieso werden die Zinseinkünfte als Einkommen gerechnet?

    Das Einkommen z.B. aus Erbschaft oder Lottogewinn sind doch nach einer Scheidung nicht eheprägend?

    Gruß Inge

  4. RA Thomas von der Wehl

    @ inge

    ein sehr interessanter Einwand, obwohl wir bislang noch gar nicht über den Zeitpunkt des Anfalls einer Erbschaft gesprochen hatten. Eine Erbschaft oder ein Lottogewinn ist eheprägend, solange die Ehe nicht rechtskräftig geschieden wurde. Auch nach Rechtskraft kann eine Erbschaft dann eheprägend sein, wenn der Unterhaltspflichtige z.B. im Hinblick auf eine bevorstehende Erbschaft andere Maßnahmen zur Altersversorgung unterlassen hat.

    Ansonsten haben Sie aber recht, dass nach Rechtskraft der Scheidung Erbschaften oder Lottogewinne nicht eheprägend sind und daher nicht einbezogen werden.

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  5. Hr. Schäfer

    Eine Frage zu diesem Thema!
    Wieso wird von der Unterhaltsempfängerin eigentlich nicht erwartet, dass sie das Vermögen für ihren Unterhalt nutzt, wenn es sich zum Beispiel um Bargeld handelt?
    Im § 1577 BGB steht doch: „Der geschiedene Ehegatte kann den Unterhalt nach den §§ 1570 bis 1573, 1575 und 1576 nicht verlangen, solange und soweit er sich aus seinen Einkünften und seinem Vermögen selbst unterhalten kann.“

  6. RA Thomas von der Wehl

    @ hr schäfer

    Grundsätzlich muss ein Unterhaltsberechtigter, wenn er auf Vermögen besitzt, dieses Vermögen bis auf einen Notgroschen verbrauchen, bevor er Unterhalt verlangen kann. Lesen Sie aber § 1577 BGB Abs. 3, wonach diese Verwertung nicht zu erwarten ist, wenn sie unwirtschaftlich ist oder unbillig wäre. Dies wird ein vermögender Unterhaltsgläubiger natürlich immer einwenden und darum drehen sich dann die Prozesse.

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  7. Henrietta

    Hallo Hr von der Wehl,

    mein Vater hat angedeutet, mir einen größeren Geldbetrag zu überschreiben, weil seine Bank ihn nervt und ich sowieso der einzige Erbe wäre und das Geld irgendwann bekäme. Das Geld sähe ich allerdings dann immer noch als seines an; dh ein Teil wäre zB einmal für seine Beerdigung gedacht, da er keine Lebensversicherung mehr hat.

    Kann man irgendwo nachlesen, wie hoch der Notgroschen sein darf? Denn wenn ich dann zB das Geld für meinen Unterhalt verwenden müsste wäre es mir lieber, der Kontoinhaber bliebe mein Vater.

  8. RA Thomas von der Wehl

    @ henrietta

    im Prinzip haben sie den richtigen Artikel gefunden und ich bitte, ihn nochmals aufmerksam zu lesen. Eigentlich sind Ihre Fragen darin beantwortet. Die Gerichte gehen meist davon aus, dass ein Vermögen selbst nicht für Unterhaltszwecke verwendet werden muss, allerdings müssen die Zinsen und sonstigen Erträge bedarfsdeckend angerechnet werden.

    Wie oben dargestellt, teile ich diese Auffassung der Gerichte nicht uneingeschränkt.

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  9. Henrietta

    Danke Hr von der Wehl. Grundsätzlich habe ich die Einstellung, dass man seinen Exmann nicht mehr ausnehmen muss als nötig. So habe ich zB auf eine Neuberechnung des Unterhaltes nach seiner letzten Beförderung vorerst verzichtet und ich fände es auch nicht ok, wenn man größeres Vermögen hätte und trotzdem auf Unterhalt bestehen würde. Wobei Vermögen relativ ist.

    Da unsere Unterhaltsberechnung eh „pie mal Daumen“ ist; dh seine ESt-Rückerstattung fließt nicht in die Berechnung mit ein, sondern er überweist freiwillig einen größeren Betrag an mich, würde er sich uU selber schaden, bestünde er auf die Einbeziehung meiner (evtl) Zinsen bei der Berechnung, denn dann bestünde ich auf eine genaue Neuberechnung per RA. Da würde er wahrscheinlich den Kürzeren ziehen.

  10. RA Thomas von der Wehl

    @ henrietta

    es gibt im Unterhaltsrecht keine absoluten Wahrheiten. Es gibt eine Menge Urteile, die das Leben eines Familienrechtlers schwierig machen. Wenn beide Parteien mit einer selbst aufgemachten Unterhaltsberechnung, sei es auch anhand eines Leitfadens vom Anwalt oder vom Gericht, gut leben können, sollte es dabei sein bewenden haben.

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  11. Rena

    Sehr geehrter Herr von der Wehl,

    ich habe folgendes Problem und weiß nicht, wer mir weiterhelfen kann. Mein Ex-Mann lebt in England. Er ist noch bis ca. April offiziell in der Armee. für meine Tochter, die im Dezember 18 geworden ist, habe ich Dank eines Colonels, der sich für uns eingesetzt hat, Unterhalt bekommen. Es wurde ihm nämlich gepfändet ohne dass er sich dagegen wehren konnte. Da er aber dieses Jahr die Armee verlässt, wird er sich wohl wieder nicht verpflichtet fühlen, für seine Tochter Unterhalt zu zahlen, die sich noch für weitere 4 Jahre in einer schulischen Ausbildung befindet und kein eigenes Einkommen hat. Ein Unterhaltsbescheid des Amtsgerichts liegt vor, jedoch aus der Zeit, als sie minderjährig war. Im Moment wissen wir auch noch seine Adresse und dass er bereits eine neue Arbeitsstelle gefunden hat, also weiterhin Unterhalt leisten könnte. Außerdem bekommt er eine Abfindung nach 23 Jahren Armeedienst oder eine monatliche Rentenzahlung, je nachdem, wie er sich die Abfindung auszahlen lassen möchte. Meine Frage ist nun, wie wir weiterhin verfahren müssen, damit er Unterhalt an meine Tochter zahlt? Selbständig und ohne Druck wird er es niemals tun. Die Erfahrung haben wir ja leider schon machen müssen. Ich bedanke mich im Voraus für Ihre Mühe und hoffe inständig, dass Sie uns weiterhelfen können.

  12. RA Thomas von der Wehl

    @ rena

    Der Titel müsste auf das volljährige Kind umgeschrieben werden und sodann müsste sich ein Rechtsanwalt, gegebenenfalls in England, mit der Vollstreckung befassen.

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