Erbrechtsreform zum 01.01.2010 in Kraft 5/5

Das vom Bundestag am 02.07.2009 beschlossene Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts tritt zum 01.01.2010 in Kraft (Bundestags-Drucksache 16/8954). Die Reform modernisiert das Pflichtteilsrecht und vereinheitlicht die Verjährung erbrechtlicher Ansprüche.

Zu den Regelungen im Einzelnen:

1. „Abschmelzungsmodell“ beim Pflichtteilsergänzungsanspruch

Nach der Ausschlussfrist des § 2325 Abs. 3 BGB in seiner früheren Fassung blieben Schenkungen beim Pflichtteilsergänzungsanspruch unberücksichtigt, wenn zur Zeit des Erbfalls zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstands verstrichen sind.

Dieses „Alles-oder-Nichts“-Prinzip führte zu willkürlichen Ergebnissen. Erfolgte die Schenkung z.B. zehn Jahre und einen Monat vor dem Erbfall, war sie pflichtteilsergänzungsfest und blieb somit bei der Berechnung dieses Anspruchs unberücksichtigt. Wurde die Zuwendung stattdessen neun Jahre und elf Monate vor dem Erbfall bewirkt, war der volle Betrag der Schenkung entsprechend der Quote des Pflichtteilsberechtigten in Ansatz zu bringen.

Die Pflichtteilsreform sieht demgegenüber eine gleitende Regelung vor: Die Schenkung wird nur noch innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall vollständig, im zweiten Jahr vor dem Erbfall noch zu 9/10, im dritten Jahr zu 8/10 usw. berücksichtigt.

2. Vereinfachtes Ausschlagungsrecht beim beschränkten oder beschwerten Pflichtteil

Die bisherige Fassung des § 2306 Abs. 1 BGB stellt eine für den pflichtteilsberechtigten Erben sehr komplizierte und in der Praxis oft schwer handhabbare Regelung dar. War der ihm hinterlassene Erbteil mit Beschränkungen oder Beschwerungen belastet, musste er innerhalb der kurzen Ausschlagungsfrist von regelmäßig sechs Wochen ermitteln, ob der hinterlassene Erbteil kleiner (bzw. gleich groß) oder größer als sein Pflichtteil ist. Nur im letzteren Fall konnte er ausschlagen und seinen vollen Pflichtteil fordern.

Die Pflichtteilsreform sieht nunmehr vor, dass der beschränkte oder belastete Erbe -unabhängig von der Höhe des zugewandten Erbteils- stets ein Wahlrecht hat: Er kann entweder den Erbteil mit allen Belastungen oder Beschwerungen annehmen oder den Erbteil ausschlagen und dennoch den Pflichtteil verlangen.

Von Nachteil ist, dass Beschränkungen oder Beschwerungen nicht mehr, wie in der früheren Fassung des § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB, von selbst wegfallen.

3. Modernisierung der Pflichtteilsentziehungsgründe

Der Erblasser konnte bisher nur unter den sehr engen Voraussetzungen der §§ 2333 bis 2335 BGB durch letztwillige Verfügung eine Pflichtteilsentziehung anordnen. Diese Regelungen sind jedoch unsystematisch und nicht mehr zeitgemäß.

Die Pflichtteilsreform sieht zunächst eine einheitliche Regelung für alle Pflichtteilsberechtigten vor. Der Entziehungsgrund des ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels wird gestrichen. Eine vorsätzlich begangene Straftat des Pflichtteilsberechtigten, die zu einer Freiheitsstraße von mindestens einem Jahr ohne Bewährung geführt hat, stellt zukünftig einen Entziehungsgrund dar, wenn eine Teilhabe am Nachlass dem Erblasser gegenüber unzumutbar wäre.

4. Erweiterung der Stundungsgründe

Da die gesetzlichen Anforderungen an die Stundung des Pflichtteilsanspruchs in der früheren Fassung des § 2331 a Abs. 1 BGB ungewöhnlich hoch sind, hat diese Regelung für die Praxis nur eine sehr geringe Bedeutung.

Die Reform erweitert die Voraussetzungen der Stundung: Zukünftig kann jeder Erbe, nicht nur der selbst pflichtteilsberechtigte, Stundung verlangen.

Während bislang die Pflichtteilserfüllung den Erben „ungewöhnlich hart“ treffen musste, reicht künftig schon eine „unbillige Härte“ aus.

5. Keine nachträgliche Ausgleichungs- oder Anrechnungsbestimmung

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurde diskutiert, ob es möglich sein soll, dass der Erblasser auch nachträglich im Rahmen einer letztwilligen Verfügung eine Ausgleichung (§ 2050 BGB) bzw. Anrechnung (§ 2315 BGB) früherer Zuwendungen anordnen kann.

Der Gesetzgeber hat diese Überlegungen aber nicht umgesetzt. Das Vertrauen des Zuwendungsempfängers darauf, dass nicht nachträglich noch Auswirkungen der Zuwendung auf den späteren Erb- oder Pflichtteil entstehen, sei zu schützen.

6. Honorierung von Pflegeleistungen eines Abkömmlings

Abkömmlinge, die über einen längeren Zeitraum hinweg im Haushalt des Erblassers Pflegeleistungen erbracht haben, können hierfür gem. § 2057 a BGB bei der Erbauseinandersetzung einen Ausgleich fordern.

Nach der Reform ist es zukünftig nicht mehr erforderlich, dass mit der Pflege ein Verzicht auf berufliches Einkommen verbunden ist.

Im Gesetzgebungsverfahren wurde diskutiert, ob künftig bei allen gesetzlichen Erben eine Ausgleichung möglich sein soll. Der Gesetzgeber ist diesen Bestrebungen nicht gefolgt, da die Erweiterung des Kreises der Ausgleichungsberechtigten zu einer Vielzahl von Folgeproblemen und Abgrenzungsfragen führen würde.

Auch dem Weg, die praktischen Probleme des geltenden Rechts bei der Berechnung der Ausgleichung von Pflegeleistungen durch einen Verweis auf die Pflegesätze des § 36 Abs. 3 SGB XI (Pflegestufen I bis III) zu lösen, ist die Reform nicht gefolgt.

7. Einheitliche Verjährung erbrechtlicher Ansprüche

Die Herausgabeansprüche der §§ 2018, 2130 und 2362 BGB unterliegen auch weiterhin der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

Für alle sonstigen erbrechtlichen Ansprüche, insbesondere auch für Vermächtnisansprüche und den Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gem. § 2314 BGB, gilt zukünftig die dreijährige Regelverjährung des § 195 BGB. Diese Verjährung beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres, in welchem der erbrechtliche Anspruch entstanden ist und der Gläubiger davon Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste (§ 199 Abs. 1 BGB n.F.).

Dies gilt künftig auch für Pflichtteilsansprüche mit Ausnahme des § 2329 BGB, für den es bei der Sonderregelung des § 2332 BGB (stichtagsgenaue 3-Jahres-Verjährung) verbleibt.

Quelle: NJW-Spezial 2009, 503

geschrieben am: 18.08.2009 - 11:27:08 von: JanPahl in der Kategorie Erbrecht
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04.12.2010 - 17:35:37:
Mein Exmann ist vor 1 Jahr gestorben und mein Sohn wurde Alleinerbe. Die Kinder aus der ersten Ehe meines Mannes verlangen nun den Pflichtte...
11.11.2009 - 17:43:19:
Hallo, ich hätte gern gewußt, wie sich die Verjährung für die Ausgleichungspflicht unter Abkömmlingen für Ausstattung nach 2050,1 BGB...
10.10.2009 - 12:35:29:
m.E. müßte die Frist schon mit dem Tag der Schenkung laufen. Es ist auch gem. BGB §§ 528 ff (Armutsparagraph) dabei zu berücksichtig...

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