Kein Aufstockungsunterhalt nach knapp 3 jähriger Ehe und bei Fehlen ehebedingter Nachteile
OLG Hamm, Urteil vom 28.03.2008 – 10 UF 107/07 = FamRZ 2009, 50 ff.
Im Gegensatz zu anderen Tatbeständen des nachehelichen Unterhalts wie dem Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB, dem Unterhaltsanspruch bis zur Erlangung einer angemessenen Erwerbstätigkeit nach § 1574 BGB oder dem Ausbildungsunterhalt nach § 1575 BGB, die im Ansatz auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile abstellen, verschafft der Aufstockungsunterhalt dem unterhaltsberechtigten Ehegatten schon dem Grunde nach einen Anspruch auf Teilhabe an dem während der Ehe erreichten Lebensstandard.
Nach der neueren Rechtsprechung des BGH setzt die zeitliche Begrenzung des Aufstockungsunterhalts gemäß § 1573 V BGB eine individuelle Billigkeitsabwägung voraus, die alle Umstände des Einzelfalles einbezieht.
Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschriften § 1573 V BGB (alte Fassung) und des § 1578 I 2 BGB (alte Fassung) und dem Grundsatz der nachehelichen Eigenverantwortung folgt, dass der nacheheliche Unterhalt nur ehebedingt entstandene Nachteile ausgleichen soll. Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 II BGB bietet daher keine – von ehebedingten Nachteilen unabhängige – Lebensstandardgarantie im Sinne einer fortwirkenden Mitverantwortung des Ehepartners.
Ist die nacheheliche Einkommensdifferenz daher nicht auf ehebedingte Nachteile, sondern darauf zurückzuführen, dass beide Ehegatten schon vorehelich infolge ihrer Berufsausbildung einen unterschiedlichen Lebensstandard erreicht hatten, kann es im Einzelfall dem unterhaltsberechtigten Ehegatten nach einer Übergangszeit zumutbar sein, auf einen Lebensstandard entsprechend den ehelichen Lebensverhältnissen zu verzichten und sich mit dem Lebensstandard zu begnügen, den er auch ohne die Ehe erreicht hätte.
Zu den weiteren Billigkeitsgesichtspunkten, die eine Befristung des nacheheliche Aufstockungsunterhalts rechtfertigen, zählen die vom Gesetz genannte „Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit“ sowie die „Dauer der Ehe“.
Hat der an sich anspruchsberechtigte Ehepartner keine eigenen Erwerbsaussichten zurückgestellt, um seinem Partner die volle berufliche Entfaltung zu ermöglichen, so dass er auch keinerlei bleibenden beruflichen Nachteil erlitten hat und ist es zu keiner nachhaltigen wirtschaftlichen Verflechtung der Parteien während der Ehe gekommen, so ist unter dem Aspekt der „Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit“ kein ehebedingter Nachteil anzuerkennen. Eine nachhaltige wirtschaftliche Verfechtung der Parteien ist erst dann – unter dem Gesichtspunkt der fortdauernden ehelichen Solidarität – für das Unterhaltsrechtsverhältnis relevant, wenn das finanzielle Engagement des einen Ehepartners zu einer wirtschaftlichen Abhängigkeit vom anderen Ehepartner geführt hat.
Auch wenn in § 1573 V BGB (alte Fassung) im Gegensatz zu § 1579 I BGB nur von einer zeitlichen Begrenzung und nicht auch von einem Versagen des Unterhaltsanspruchs die Rede ist, so bedeutet dies nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht, dass dem geschiedenen Ehegatten bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1573 II und IV BGB in jedem Fall noch für eine gewisse Übergangszeit Aufstockungsunterhalt zusteht.
Denn die Übergangszeit vom Wegfall ehebedingter Nachteile bis zum Fortfall des Aufstockungsunterhaltsanspruchs liegt darin begründet, dass der geschiedene Ehegatte nach der Scheidung Zeit benötigt, um sich auf eine veränderte Unterhaltssituation und eine Kürzung seines eheangemessenen Unterhalts einzustellen. Welche Zeit ihm hierfür zuzubilligen ist, beurteilt sich – außer nach der hierbei zu berücksichtigenden Ehedauer – nach allen Umständen des Einzelfalls. Diese können auch so gelegen sein, dass es überhaupt keiner Übergangszeit bedarf.
Dies ist zumindest dann der Fall, wenn ehebedingte Nachteile fehlen, die geschiedene Ehe von kurzer Dauer – im vorliegenden Fall: zwei Jahre und acht Monate – war und der Kläger bereits vor der Ehe über ein auskömmliches Einkommen verfügte, das sich während der Ehezeit sogar noch durch Beförderung weiter erhöht hat.
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Autor:
Kirsten Schimmelpenning
Grawert - Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater
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