Kindesunterhalt: Wann muss der Unterhaltsschuldner einen Nebenjob annehmen? 
Wenn der unterhaltspflichtige Elternteil nicht genug verdient, um den Unterhalt für seine minderjährigen Kinder zu bezahlen, so stellt sich regelmäßig die Frage, ob von ihm die Aufnahme einer Nebentätigkeit erwartet werden kann. In der Vergangenheit wurde dem Unterhaltsschuldner oft ohne weitere Prüfung ein fiktives Zusatzeinkommen angerechnet. Der BGH hat nun in einem Urteil vom 03.12.2008 (XII ZR 182/06) grundsätzliche Ausführungen gemacht, unter welchen Voraussetzungen die Aufnahme einer Nebenerwerbstätigkeit erwartet werden kann. In dem Fall, der dem BGH zur Entscheidung vorlag, verfügte der unterhaltspflichtige Vater aus einer Vollzeittätigkeit über ein monatliches Nettoeinkommen von 1.157 €. Unter Zugrundelegung seines Selbstbehalts von 900 € war er somit nicht in der Lage, den Mindestunterhalt für seine zwei minderjährigen Kinder in voller Höhe zu bezahlen. Das Oberlandesgericht hatte ihm daher ein fiktives Zusatzeinkommen von 150 € angerechnet.
Der BGH hat hierzu nun folgendes ausgeführt: Voraussetzung einer Zurechnung fiktiver Einkünfte ist zunächst, dass der Unterhaltspflichtige die ihm zumutbaren Anstrengungen, eine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden, nicht oder nicht ausreichend unternommen hat und dass bei genügenden Bemühungen eine reale Beschäftigungschance bestanden hätte. Geht der Unterhaltspflichtige schon einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nach, sind aber die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes zu beachten. Nach § 3 ArbZG darf die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer acht Stunden nicht überschreiten. Ausnahmen kommen nur in engen Grenzen in Betracht. Nach § 9 Abs. 1 ArbZG dürfen Arbeitnehmer außerdem an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen grundsätzlich nicht beschäftigt werden. Damit ist die wöchentliche Arbeitszeit regelmäßig auf (6 Tage x 8 Stunden =) 48 Stunden begrenzt. Da die meisten Arbeitnehmer von Montag bis Freitag 8 Stunden täglich arbeiten, bleibt nur noch der Samstag als der Tag übrig, an dem ein Nebenjob ausgeübt werden kann. Im Rahmen der Zurechnung fiktiver Nebenverdienste ist aber – so der BGH - weiterhin zu prüfen, ob und in welchem Umfang es dem Unterhaltspflichtigen unter Abwägung seiner von ihm darzulegenden besonderen Lebens- und Arbeitssituation einerseits und der Bedarfslage des Unterhaltsberechtigten andererseits zugemutet werden kann, eine Nebentätigkeit auszuüben. So muss z.B. auch überprüft werden, ob ein Nebenjob mit dem Umgangsrecht des Unterhaltspflichtigen, (welches in dem meisten Fällen an jedem zweiten Wochenende ausgeübt wird) zu vereinbaren ist.
Der BGH hat außerdem noch darauf hingewiesen, dass die Zurechnung fiktiver Einkünfte eine reale Beschäftigungschance voraussetzt. Die Gerichte müssen deswegen prüfen, ob es Nebentätigkeiten entsprechender Art für den Unterhaltspflichtigen überhaupt gibt und der Aufnahme einer solchen Tätigkeit keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen, für die der Unterhaltspflichtige allerdings darlegungs- und beweispflichtig ist.
Die Entscheidung des BGH wird zur Folge haben, dass die Zurechnung fiktiver Einkünfte nur auf Ausnahmefälle beschränkt sein wird. Wenn der Unterhaltsschuldner vollschichtig arbeitet und er das Umgangsrecht im üblichen Umfang ausübt, wird die Ausübung eines Nebenjobs nicht erwartet werden können.
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Hallo, wie sieht es aus, wenn man ein Haupteinkommen hat in der Düsseldorfer Tabelle auf Stufe 4 ist und nun einen Nebenjob annimmt. ...
20.08.2011 - 21:32:09:
Hallo,ich bin in der gleichen Situation wie Udo H. Ich verdiene durchschnittlich 1160,- Euro. Ich darf auch keinen Nebenjob annehmen und hab...
12.06.2011 - 10:20:18:
Hallo, ich arbeite Vollzeit in der 35 Stundenwoche, bin durch meinen Arbeitgeber(AG ) verpflichtet Überstunden zu leisten, die aber nicht b...
Autor:
Ralf Hein
Kanzlei Thümlein & Kollegen
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