Elternunterhalt 4.8/5

Elternunterhalt

A) Vorbemerkungen

Müssen Eltern ihren Lebensabend im Alters- oder Pflegeheim verbringen, reicht das eigene Renteneinkommen hierfür oftmals nicht aus. Bereits bei mittlerer Pflegestufe kostet ein Heimplatz schon durchschnittlich zwischen € 3.000 bis € 3.500 monatlich. Die Pflegeversicherung deckt diese Kosten derzeit nur hälftig ab.
Sind Eltern dann nicht in der Lage, allein die weiteren Kosten zu decken, haben sie einen Unterhaltsanspruch gegen ihre Kinder nach den Bestimmungen der §§ 1601 ff. BGB.

Bis zur Klärung der Unterhaltsverpflichtung tritt zunächst regelmäßig ein Sozialhilfeträger für die ungedeckten Kosten in Vorlage, der vom Heim über die Situation benachrichtigt wird. Der Sozialhifeträger prüft dann, ob er die verauslagten Kosten wieder zurückerlangen kann. Hierzu verständigt er die Kinder mit der Bitte um schriftliche Auskunft über Ihre Einkommens-und Vermögensverhältnisse.
Nachdem die Ausgaben der Sozialhilfeträger bundesweit eklatant gestiegen sind, aber mit erbittertem Widerstand seitens der möglichen Unterhaltsschuldner gerechnet wird sind die Anschreiben an die Kinder ausnahmslos so verfasst, dass der zumeist unkundige Empfänger glauben muss, es handle sich um eine behördliche Anordnung. Dem ist aber nicht so. Der Sozialhifeträger hat gerade keine behördlichen Befugnisse zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen. Vielmehr gehen lediglich die Auskunfts- und Unterhaltsansprüche der Eltern von Gesetzeswegen auf den Sozialhilfeträger über, sodass er zur Durchsetzung dieser Ansprüche ebenso das Familiengericht bemühen muss, wie die Eltern selbst.

B) Welche Kosten entstehen?

I. Übersicht

Die Kosten für die Unterbringung in einem Alters- und Pflegeheim berechnen sich in der Regel aus den Heimunterbringungskosten (für Kost, Logis und Pflegedienstleistungen), einmaligen Beihilfen für Sonderbedarf und einem angemessenen Taschengeld.

II. Heimunterbringungskosten

Die Heimunterbringungskosten, die im Heimvertrag genau ausgewiesen sein müssen gliedern sich wie folgt:

1. Kosten der Unterkunft und Verpflegung (Hotelkosten)

2. Einzelzimmerzuschlag

3. Kosten für allgemeine Pflegeleistungen, wie insbes: Ankleiden, Ausziehen, Waschen, Füttern, Verbände anlegen und soziale Betreuung.

4. Kosten für Zusatzleistungen, wie zum Beispiel Gebühren für die Teilnahme an einer wöchentlichen Gymnastikstunde.

5. Investitionskosten wie zum Beispiel Kosten für die Gebäude- und Inventar dürfen anteilig auf die Bewohner umgelegt werden, wenn diese nicht von der öffentlichen Hand gefördert werden.

6. Kosten der Ausbildungsvergütung zur Refinanzierung der Ausbildungskosten in der Altenpflege.

7. Heimentgelterhöhung
Im Heimvertrag befindet sich auch eine Klausel zur Heimentgelterhöhung unter Verweis auf (§ 7 Abs. 1 Heimgesetz). Danach darf das Heimentgelt erhöht werden, wenn sich die bisherige Berechnungsgrundlage verändert hat. Veränderungen ergeben sich regelmäßig daraus, dass sich beim Bewohner selbst etwas verändert hat, wenn er zum Beispiel der nach einem Schlaganfall nicht mehr ohne fremde Hilfe essen kann. In der Regel bewirkt eine derartige Veränderung aber immer auch eine Höhereinstufung in der Pflegeversicherung.

Die Entgelterhöhung muss spätestens vier Wochen im Voraus vom Heim schriftlich angezeigt und begründet werden und bedarf grundsätzlich der Zustimmung des Bewohners oder seines Vertreters.

Die Gerichte stellen darauf ab, in welchen wirtschaftlichen Verhältnissen die Eltern vorher gelebt haben, mit der Folge, dass die Eltern bei durchschnittlichen Einkommensverhältnissen nur ein durchschnittlich teures Heim belegen dürfen.

C) Wie werden die Kosten bezahlt?

I. Eigene finanzielle Mittel der Eltern

1. Alles, was den Eltern an Einkommen zur Verfügung steht, muss verwendet werden, um den Heimaufenthalt zu finanzieren.

2. Die Eltern müssen auch ihr Vermögen zur Deckung der Heimkosten einsetzen.

a) Barvermögen
Beim Barvermögen darf nur ein Notgroschen von derzeit € 2.600 für eine Einzelperson zurückbehalten werden (BGH, Urteil v. 5.11.1967, FamRZ 1998 S. 367).

b) Immobilienvermögen
Lebt nur noch ein Elternteil, der in einem Pflegeheim untergebracht werden muss, besteht die Verpflichtung, das Immobilienvermögen zu verkaufen und hieraus die Heimkosten zu tragen. Leben noch beide Elternteile und nur ein Elternteil wird im Heim untergebracht, während der andere im Haus zurückbleibt, besteht nicht immer eine Verpflichtung zum Verkauf der Immobilie, selbst wenn die Immobilie für eine einzelne Person unangemessen groß ist.

3. Rangfolge

Als Kind haften Sie immer erst nach dem Ehegatten Ihres im Heim untergebrachten Elternteils. Auch wenn nur ein Elternteil in einem Pflegeheim untergebracht wird und der andere Elternteil in der bisherigen Wohnung verbleibt, werden beide sozialhilferechtlich weiterhin als »Bedarfsgemeinschaft« behandelt. Das heißt, es wird ein Gesamtbedarf für beide Ehegatten berechnet und diesem Gesamtbedarf das Gesamteinkommen bzw. -vermögen gegenüber gestellt. Reicht danach das Gesamteinkommen/-vermögen nicht aus, den Gesamtbedarf zu decken, trägt auch in diesem Fall das Sozialamt die ungedeckten Kosten, obwohl eigentlich der im Heim lebende Elternteil ohne weiteres aus seinem Einkommen die Kosten decken könnte.
Sie können dann aber gegenüber dem Sozialamt einwenden, dass der im Heim lebende Elternteil nicht bedürftig ist. Denn im Unterhaltsrecht gilt der Grundsatz, dass eigenes Einkommen zunächst auch auf den eigenen Bedarf eingesetzt werden und nicht für den Ehegatten verwendet werden muss (BGH, Urteil v. 7.7.2004).
Auch, wenn Ihre Eltern geschieden sind oder getrennt leben, können sie gegenüber dem Sozialamt geltend machen, dass zunächst einmal der andere Elternteil bzw. der neue Ehegatte vorrangig heranzuziehen ist.

II. Leistungen der Pflegeversicherung

1. Bei Erforderlichkeit der vollstationären Pflege, die sich aus dem MDK-Gutachten ergibt, werden für die Kosten der pflegebedingten Aufwendungen, unabhängig vom Einkommen der Eltern, folgende Leistungen gewährt:

- € 1.023 monatlich bei Pflegestufe I (erhebliche Pflegebedürftigkeit)
- € 1.279 monatlich bei Pflegestufe II (schwere Pflegebedürftigkeit)
- € 1.432 monatlich bei Pflegestufe III (schwerste Pflegebedürftigkeit)
- € 1.688 in Härtefällen (das heißt, wenn ein außergewöhnlich hoher und intensiver Pflegeaufwand erforderlich ist, der das übliche Maß der Pflegestufe III weit übersteigt).

2. Pflegebedürftige die sich in ein Pflegeheim begeben, obwohl häusliche Pflege durchführbar und ausreichend wäre, erhalten von der Pflegekasse lediglich einen Kostenzuschuss von
- max. € 384/ Monat bei Pflegestufe I
- max. € 921/ Monat bei Pflegestufe II
- max. € 1.432/Monat bei Pflegestufe III

III. Rückforderungen von Schenkungen

1. Können die Eltern die Heimunterbringungskosten nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen decken, müssen sie Schenkungen, die sie in den vergangenen zehn Jahren getätigt haben, zurückfordern (§ 529 BGB).

2. Für Immobilienvermögen, das verschenkt wurde besteht keine Rückgabeverpflichtung, aber der Beschenkte muss den monatlichen Unterhaltsbedarf solange bezahlen, bis der Wert des Geschenkes erreicht ist. Sofern dies der beschenkten Person finanziell nicht möglich ist, muss er die Geschenkimmobilie beleihen und daraus den Unterhalt bestreiten.
Übertragen Eltern ihren Kindern ihr Haus, empfiehlt es sich in den Kaufvertrag den Verkehrswert der Immobilie und die Gegenleistungen aufzunehmen, ggf. auch unter Angabe der Verrechnung bereits schon erbrachter Gegenleistungen!!!
Keinesfalls sollte im notariellen Vertrag eine Schenkung als Grundlage der Übertragung genannt sein.

3. Anstandsschenkungen, wie Geburtstags-, Hochzeits- und Jubiläumsgeschenke bis zu einem Wert von € 500 brauchen nicht zurückgegeben werden. Bei Geschenken über € 500 ist der Zeitwert zurückzuerstatten.

4. Der Rückforderungsanspruch besteht selbst dann noch fort, wenn der Schenker inzwischen verstorben, aber die Zehnjahresfrist seit der Schenkung noch nicht abgelaufen ist und kann durch den Sozialhilfeträger eingefordert werden. (BGH, Urteil v. 25.4.2001, Az. X ZR 205/99; BGH, Urteil v. 25.4.2001, Az. V ZR 229/99).

IV. Unterhaltszahlungen der Kinder

1. Ergibt sich nach Abschöpfung aller in Betracht kommender Geldquellen, dass doch noch eine Finanzierungslücke besteht, haften hierfür grds. die Kinder, jeweils anteilig nach ihren Einkommens und Vermögensverhältnissen.
Die Finanzierungslücke übernimmt zunächst das Sozialamt, wobei es natürlich nicht bleibt. Das Amt prüft sogleich, ob es bei den unterhaltspflichtigen Kindern zurückholen kann, was es vorgestreckt hat, denn die Unterhaltsansprüche der Eltern gehen auf den Träger der Sozialhilfe über (§ 94 SGB XII), solange und soweit dieser in Vorlage getreten ist.
Das sich aus dem Anspruchsübergang ergebende Rechte- und Pflichtenverhältnis ist jedoch ausschließlich zivilrechtlicher Natur und ist abschließend in den §§ 1601 – 1615 BGB geregelt. Es handelt sich hierbei grundsätzlich um die Vorschriften zum Kindesunterhalt. Elternunterhalt ist mithin nichts anderes als Kindesunterhalt, nur in umgekehrter Richtung.
Sämtliche sich aus dem Rechte und Pflichtenverhältnis ergebende Ansprüche muss das Sozialamt im Streitfall vor dem für sie örtlich zuständigen Familiengericht geltend machen!

2. Auf Nachfrage des Sozialamtes sind die Kinder zur Offenlegung Ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet.
Zu diesem Zweck übersendet der Sozialhilfeträger die sog. Rechtswahrungsanzeige, zusammen mit dem Auskunftsersuchen an alle Kinder, soweit ihm diese bekannt sind. Wenn Sie also nicht alleine für die Kosten einstehen wollen, sollten Sie rechtzeitig darauf hinweisen, dass neben Ihnen noch weitere unterhaltspflichtige Geschwister vorhanden sind.

a) In der Rechtswahrungsanzeige gibt Ihnen das Sozialamt den Anspruchsübergang bekannt, verbunden mit dem Hinweis, dass Sie ab jetzt den Unterhalt mit schuldbefreiender Wirkung nicht mehr an Ihre Eltern, sondern nur noch an das Sozialamt leisten können. Da mit dieser Mitteilung selbst für Sie noch keine Verpflichtung entsteht, gibt es auch keine Möglichkeit, dagegen vorzugehen. Die Rechtswahrungsanzeige ist kein Verwaltungsakt, sondern lediglich eine Information.

b) Inhalt und Umfang der Auskunftsverpflichtung ergeben sich grundsätzlich aus § 1605 BGB.

(I) In welchem Umfang ist Auskunft zu erteilen?

(1) Über Einkünfte und Ausgaben

(a) Einkünfte
Über alle Einkunftsarten, soweit die Angaben für die Ermittlung des Unterhalts relevant sein könnten ist Auskunft zu erteilen, auch über Steuerrückerstattungen. Auskunft ist nur nach eigenem Kenntnisstand ohne Hinzuziehung Dritter (wie z.B. Steuerberater) geschuldet. Einmalige Einkünfte (wie Spielgewinn oder besonderer Verkaufserlös) wären als Vermögen anzugeben

(b) Verbindlichkeiten
Nicht nur die gesamten Bruttoeinkünfte, sondern auch die damit zusammenhängenden Ausgaben müssen angegeben werden. Also Steuern, Vorsorgeaufwendungen, Werbungskosten, berufsbedingte Aufwendungen. Vor- oder gleichrangige weitere Gläubiger, insbesondere aus Kreditverbindlichkeiten, sind mitzuteilen.

(c) Zeitraum
Für die letzten 12 Kalendermonate ist Auskunft zu erteilen. Der geforderte Jahreszeitraum kann bis zur letzten mündlichen Verhandlung aktualisiert werden.
Bei Selbständigen, ebenso bei Einkünften aus Kapital ist eine Auskunft für 3 Jahre erforderlich. Für das laufende Geschäftsjahr besteht kein Anspruch (da 6 Monate Zeit für den Geschäftsabschluss zuzugestehen sind). Bei Land- und Forstwirten ist das am 1. Juli beginnende Wirtschaftsjahr maßgeblich.

(2) Über Vermögen und Schulden

ist Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist.
Der Umfang der Pflicht ist in der Rechtsprechung ungeklärt. Es genügt, die Vermögenswerte zu offenbaren, die zu regelmäßigen Einkünften führen können. Einmalige Einkünfte (wie Spielgewinn oder besonderer Verkaufserlös) sind als Vermögen anzugeben.
Über das Vermögen kann nur bezogen auf einen Zeitpunkt und nicht für einen Zeitraum Auskunft verlangt werden. Damit scheidet eine Auskunft über den Verbleib eines Gegenstandes aus.
Zeitpunkt kann der 31.12. des Vorjahres, aber auch ein anderer Stichtag sein, wenn dies zumutbar ist. Regelmäßig wird jedoch der Stichtag der Zugang des Aufforderunkschreibens sein.
Die Auskunft ist nur nach dem eigenen Kenntnisstand ohne Hinzuziehung Dritter (wie z.B. Steuerberater) geschuldet.
Die Erklärung, dass Vermögen nicht vorhanden ist, ist ausreichend.

(II) In welcher Form ist die Auskunft zu erteilen?

(1) Die Auskunft ist durch Vorlage eines schriftlichen und unterschrieben Verzeichnisses zu erteilen. Sie muss dem Berechtigten eine Ermittlung des Unterhaltsanspruchs mit vertretbarem Aufwand ermöglichen. Die Aufstellung muss vollständig sein, ggf. auch nach Monaten getrennt.
Bei Selbständigen kann eine Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben verlangt werden, ferner Angaben zur Entwicklung des Kapitalkontos und der Entnahmen. Ausgaben sind so konkret zu bezeichnen, dass die Relevanz geprüft werden kann. Eine Zusammenfassung von Sachgesamtheiten wie Personalkosten, Büromaterial ist zulässig, wenn ein Verzicht auf eine detaillierte Aufschlüsselung im Verkehr üblich ist und die ausreichende Orientierung des Auskunftsberechtigten nicht verhindert.

(2) Über die Höhe der Einkünfte sind auf Verlangen Belege vorzulegen.
Die Vorlage lesbarer Ablichtungen genügt, solange kein konkreter Verdacht einer Manipulation besteht.
Eine Vorlage von Belegen über das Vermögen ist nicht geschuldet.

Einzelne Belege
- Verdienstbescheinigungen
- Arbeitsvertrag (nur vorzulegen, bei Fehlen von Verdienstbescheinigungen oder wenn diese zu Zweifeln Anlass geben)
- Lohnsteuerkarte, Steuererklärungen, Steuerbescheide
- Bankbelege: Nein
- Kfz-Überlassungsvertrag des Firmenwagens
- Bescheinigung über Nichtvorhandensein bestimmter Einkünfte: Nein,
- Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnung: Eine Einnahmen-Überschussrechnung genügt, soweit keine Bilanzierungspflicht besteht. Ausreichend ist ggf. auch die Anlage KAP bzw. GSE zur Steuererklärung. Bei Personengesellschaften genügt der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Gewinns oder Verlusts durch das Betriebsfinanzamt.
- Umsatzsteuerbescheide und monatliche Umsatzsteuererklärungen

Darüber hinaus bestehen so genannte öffentlich-rechtliche Auskunftsansprüche (§ 117 SGB XII). Dieser unterscheidet sich vom zivilrechtlichen Auskuftsanspruch zunächst um den erweiterten Adressatenkreis. Danach sind sowohl Sie als auch Ihr Ehegatte, obwohl dieser Ihren Eltern gegenüber nicht unterhaltspflichtig ist, zur Auskunft verpflichtet. Das Sozialamt darf insoweit auch an Ihren Arbeitgeber und das Finanzamt herantreten.
Der öffentlich-rechtliche Auskunftsanspruch ist Verwaltungsakt, den Sie mit dem Widerspruch und der Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht angreifen können.
Das Sozialamt kann zwischen beiden Auskunftsansprüchen grds. frei wählen. Das Sozialamt übersendet Ihnen deswegen zumeist einen Fragebogen auf der Grundlage des öffentlich-rechtlichen Auskunftsanspruchs. Wir empfehlen aber den Fragebogen auch schon wegen des enormen Arbeitsaufwandes nicht auszufüllen, sondern zunächst nur eine von Ihnen erstellte und unterschriebene Einkommensübersicht mit den erforderlichen Belegen zu übersenden.

3. Ermittlung Ihres Anteils an den ungedeckten Kosten

Nach Auskunftserteilung errechnet das Sozialamt Ihre Kostenbeteiligung:

a) Es wird ermittelt, wie hoch Ihr Nettoeinkommen aus allen Einkunftsarten ist, aus denen Sie Geld beziehen. Dazu gehört also nicht nur Ihr Arbeitseinkommen, sondern insbes. auch Einkünfte aus Kapitalanlagen u.ä. Die Einkunftsarten ergeben sich aus ihrer Steuererklärung.
Daneben kommen noch so genannte fiktive Einkünfte in Betracht, wie insbesondere der Wohnvorteil aus dem mietfreien Wohnen im eigenen Heim. Einkommen in diesem Sinn können auch Unterhaltsansprüche gegen Ihren Ehepartner sein.
Zur Ermittlung des Nettoeinkommens aus der jeweiligen Einkunftsart werden vom Bruttobetrag die jeweils maßgeblichen Beträge abgezogen. Also z.B. beim Arbeitseinkommen die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge.
Weiterhin sind insbes. noch folgende Positionen abzugsfähig:

- Kreditraten
aus Schuldverpflichtungen, die Sie bereits vor Bekannt werden der Unterhaltsverpflichtung gegenüber Ihren Eltern eingegangen sind. Schuldverbindlichkeiten, die nach Bekannt werden der Unterhaltsverpflichtung eingegangen wurden sind nur abzugsfähig, wenn es sich um unaufschiebbare Anschaffungen handelt.

- Vorsorgeaufwendungen
für eine private zusätzliche Altersvorsorge bis zu einer Höhe von 5 % des Bruttoeinkommens oder auch für eine private Zusatzkrankenversicherung.
Wenn Sie selbstständig tätig sind, sind angemessene Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und zu einer Lebensversicherung bis zu 20 % des Bruttoeinkommens abzugsfähig.

- Unterhaltsverpflichtungen
gegenüber Ihren Kindern und Ihrem Ehepartner. Der zu zahlende Kindesunterhalt ergibt sich aus der Düsseldorfer Tabelle, wenn diese noch minderjährig oder in der Ausbildung sind. Der Unterhaltsanspruch der einkommenslosen Ehefrau beträgt grundsätzlich ½ des Erwerbseinkommens des Ehemannes. Mindestens abzugsfähig ist jedoch ein Betrag von € 1.050, als erforderlicher Selbstbehalt für die Ehefrau.

b) Es wird sodann ermittelt, was Ihnen als Selbstbehalt bleiben muss.
Nach Abzug der vorbenannten Positionen muss Ihnen selbst noch ein angemessener Selbstbehalt verbleiben. Dieser beträgt zurzeit nach der Düsseldorfer Tabelle mindestens € 1.400.
Der Selbstbehalt kann sich jedoch erhöhen, wenn die in dem Selbstbehalt enthaltenen Fixkosten tatsächlich höher sind. In dem Selbstbehalt ist beispielsweise eine Warmmiete von € 450 berücksichtigt. Wenn Ihre Unterkunftskosten einschließlich Heizung diesen Wohnkostenanteil übersteigen, haben Sie aber einen Anspruch darauf, dass der Selbstbehalt entsprechend erhöht wird.

c) Verbleibt schließlich nach Abzug des Selbstbehaltes noch ein Resteinkommen muss dieses nicht vollständig für Unterhaltszahlungen eingesetzt werden, sondern lediglich hieraus die Hälfte.

d) anteilige Geschwisterhaftung
Falls Sie Geschwister haben haften Sie mit Ihren Geschwistern nur anteilig nach Ihren jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Selbst wenn Sie alleine in der Lage wären, die offenen Heimkosten Ihrer Eltern zu tragen, darf das Sozialamt nicht ausschließlich Sie in Anspruch nehmen, sondern muss den auf Sie entfallenen Anteil berechnen.
Wenn der Unterhalt, den Sie und Ihre Geschwister zahlen können, die offenen Heimkosten übersteigt, teilt das Sozialamt die Unterhaltsverpflichtung entsprechend auf. Es müssen sowohl für Sie, als auch für Ihre Geschwister eigenständige Berechnungen durchgeführt werden, aus der sich die jeweiligen Zahlungspflichten ergeben. Den auf Sie entfallenden Betrag brauchen Sie erst zu zahlen, wenn man Ihnen gegenüber die Einkommens- und Vermögensverhältnisse Ihrer Eltern und Geschwister samt Berechnung offen gelegt hat. Andernfalls können Sie nicht überprüfen, ob das Sozialamt auch richtig gerechnet hat.

4. Verwertung Ihres Vermögens

Das unterhaltspflichtige Kind hat zum Unterhalt vornehmlich die Vermögenserträge heranzuziehen, unter Umständen aber auch den Vermögensstamm anzugreifen, aber nicht soweit dadurch sein eigener angemessener Unterhalt gefährdet wird.
Mithin besteht auf keinen Fall eine Verpflichtung, wonach Sie Ihr eigenes Haus- und Wohnungseigentum zum Unterhalt des bedürftigen Elternteils verkaufen müssen. Dieses ist generell von einer Vermögensverwertung ausgeschlossen. Auch eine Verpflichtung, ein Darlehen aufzunehmen und eine Grundschuld auf das Immobilienvermögen eintragen zu lassen, besteht nicht (BVerfG, Urteil v. 7.6.2005, NJW 2005 S. 1927).

D) Wegfall des Unterhaltsanspruchs

I. Verwirkung

Es kann Gründe geben, die eine Zahlungsverpflichtung entfallen lassen oder zumindest eine Herabsetzung des Anspruchs bewirken können. Diese Gründe sind in § 1611 BGB geregelt:

1. Hier ist zunächst daran zu denken, ob Ihre Eltern durch ein sittliches Verschulden bedürftig geworden sind. Das ist der Fall, wenn Ihre Eltern durch Spiel-, Trunk- oder Drogensucht bedürftig geworden sind und keine Therapie zur Heilung aufgenommen haben.

2. Der Unterhaltsanspruch Ihrer Eltern entfällt auch dann, wenn Ihre Eltern Ihnen in der Vergangenheit selbst keinen Unterhalt bezahlt haben, trotz entsprechender Verpflichtung, oder wenn Sie den Unterhalt immer erst gerichtlich durchsetzen mussten.

3. Der Unterhaltsanspruch ist auch dann verwirkt, wenn sich Ihre Eltern Ihnen oder Ihren nahen Angehörigen gegenüber einer vorsätzlichen schweren Verfehlung schuldig gemacht haben, die den Charakter eines üblichen Familienstreits deutlich übersteigt.

4. Eine Verwirkung kommt ferner in Betracht, wenn es die Eltern versäumt haben, eine eigene Altersvorsorge zu treffen, obwohl sie dazu in der Lage gewesen wären.

5. Verwirkt ist der Unterhaltsanspruch auch dann, wenn das Sozialamt Ihnen eine Rechtswahrungsanzeige übersandt hat, den Unterhaltsanspruch dann aber nicht mehr zeitnah weiterverfolgt hat. Dadurch soll verhindert werden, dass Ihre Unterhaltspflicht zu einer »erdrückenden Schuldenlast« anwächst.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein Zeitraum dann nicht mehr »zeitnah« ist, wenn zwischen Rechtswahrungsanzeige und Anspruchsgeltendmachung mehr als ein Jahr vergangen ist.

II. Unbillige Härte

Eine unbillige Härte liegt vor, wenn Sie beispielsweise Ihre Eltern weit über das Maß dessen hinaus gepflegt haben, was üblicherweise als Kind von Ihnen erwartet wird. Insbesondere, wenn Sie beispielsweise Ihre eigene Erwerbstätigkeit aufgegeben haben, um Ihre Eltern zu pflegen.
In einem solchen Fall würde eine spätere Inanspruchnahme wegen Unterhaltszahlung nicht gerechtfertigt sein.

E) Durchsetzung des Unterhaltsanpruchs

Auch wenn das Sozialamt von Ihnen den Unterhalt für Ihre Eltern fordert, ändert sich dadurch an der rechtlichen Qualität des Anspruchs nichts. Der Unterhaltsanspruch Ihrer Eltern ist lediglich auf das Sozialamt übergegangen, mit der Folge, dass das Sozialamt nunmehr Anspruchsinhaber ist und den Unterhaltsanspruch im eigenen Namen geltend machen kann. Aus dem Unterhaltsanspruch wird dadurch kein öffentlich-rechtlicher Anspruch. Vielmehr bleibt der Anspruch rein zivilrechtlicher Natur, dessen Regelungsgrundlagen abschließend in den §§ 1601 – 1615 BGB normiert sind. Alle Anspruchsvoraussetzungen und alle Einwendungen hiergegen ergeben sich ausschließlich aus diesen Bestimmungen.
Sie brauchen deshalb auch gegen eine Zahlungsaufforderung des Sozialamtes keinen Widerspruch einzulegen, weil das Sozialamt die Unterhaltsforderung nicht im Wege eines Verwaltungsaktes von Ihnen fordern kann.
Im Falle etwaiger Differenzen muss das Sozialamt – ebenso wie der ursprüngliche Anspruchsinhaber - den Unterhalt vor dem Familiengericht beim an Ihrem Wohnort einklagen.

F) Rechtsprechung

1. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 07.06. 2005,Az 1 BvR 1508/96
(Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde einer Tochter, die für den Elternunterhalt ihrer pflegebedürftigen Mutter hätte aufkommen sollen).

Die pflegebedürftige Mutter der Beschwerdeführerin lebte in den letzten vier Jahren vor ihrem Tod (1995) in einem Alten- und Pflegeheim. Da die Einkünfte der Mutter zur Begleichung der Heimpflegekosten nicht ausreichten, leistete ihr die Stadt Bochum als örtlicher Träger der Sozialhilfe laufende monatliche Hilfe in Höhe von insgesamt ca. 123.000 DM. Die Stadt Bochum verklagte die Beschwerdeführerin zunächst erfolgreich auf Zahlung von Elternunterhalt.
Auf Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin hob das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 07.06.2005, Az.: 1 BvR 1508/96) das Urteil auf, da es die Beschwerdeführerin in ihrer von Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes geschützten finanziellen Dispositionsfreiheit verletzt sah.
Das Bundesverfassungsgericht führte aus, dass der Gesetzgeber dem Elternunterhalt gegenüber dem Kindesunterhalt nicht nur nachrangiges Gewicht verliehen (§ 1609 BGB), sondern auch den Umfang der Verpflichtung deutlich gegenüber der Pflicht zur Gewährung von Kindesunterhalt eingeschränkt (§ 1603 Abs. 1 BGB) habe. Die nachrangige Behandlung des Elternunterhalts entspreche der grundlegend anderen Lebenssituation, in der die Unterhaltspflicht jeweils zum Tragen komme, nämlich, wenn die Kinder längst eigene Familien gegründet und sich Unterhaltsansprüchen ihrer eigenen Kinder und Ehegatten ausgesetzt sahen, sowie für sich selbst und für die eigene Altersabsicherung zu sorgen hatten. Dazu trete nun ein Unterhaltsbedarf eines oder beider Elternteile im Alter hinzu, der mit deren Einkommen, insbesondere ihrer Rente, vor allem im Pflegefall nicht abgedeckt werden könne. Diesen sich kumulierenden Anforderungen habe der Gesetzgeber Rechnung getragen, indem er sichergestellt habe, dass dem Kind ein seinen Lebensumständen entsprechender eigener Unterhalt verbleibe.
Die vom Gesetzgeber dem Elternunterhalt zugewiesene, relativ schwache Rechtsposition werde durch die neuere Entwicklung der Gesetzgebung aus jüngerer Zeit noch untermauert. Mit der schrittweisen Reduzierung der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung und der Einführung der gesetzlich geförderten privaten Altersvorsorge ("Riester-Rente") habe der Gesetzgeber die Verantwortung jedes Einzelnen hervorgehoben, für seine Alterssicherung neben der gesetzlichen Rentenversicherung rechtzeitig und ausreichend vorzusorgen. Dies muss bei der Bestimmung des einem unterhaltspflichtigen Kind verbleibenden angemessenen Unterhalts Berücksichtigung finden.

2. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30.08.2006, Az: XII ZR 98/04
(Die Altersvorsorge eines Kindes geht der Pflicht zur Zahlung von Unterhalt an die Eltern vor.)

Der Bundesgerichtshof hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem das Sozialamt der Mutter des Beklagten Sozialhilfe insoweit gewährte, als sie die Kosten ihres Aufenthalts in einem Pflege- und Seniorenheim nicht aus eigenem Einkommen decken konnte. Das Sozialamt begehrte nunmehr von dem Sohn der Sozialhilfeempfängerin die Übernahme dieser Zahlungen.
Dieser war im Jahre 1955 geboren, ledig und kinderlos und hatte ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 1.330 € sowie Kapitalerträge von rund 56 € im Monat. Unstreitig war, dass die laufenden Einkünfte des Sohnes nach Abzug berufsbedingter Ausgaben den ihm zu belassenen Selbstbehalt von jetzt 1.400 € nicht übersteigen. Aus seinen laufenden Einkünften konnte er daher nicht zur Zahlung von Elternunterhalt herangezogen werden.
Darüber hinaus verfügte der Sohn jedoch über ein Vermögen von rund 113.400 €, das er in Form von Lebensversicherungen, Wertpapieren, Gold und Schmuck sowie auf Girokonten angelegt hatte. Der Sohn stellte insoweit klar, dass er dieses Vermögen für den Erwerb einer angemessenen Eigentumswohnung einsetzen wolle und zudem einen Ersatz für seinen 10 Jahre alten PKW, der bereits 215.000 km Laufleistung hinter sich hatte, anzuschaffen gedenke. Diesen benötige er für Fahrten zu seiner 39 km entfernten Arbeitsstelle. Die Kosten des neuen Pkws würden 21.700 € betragen.
Der BGH führt hier aus, dass zwar grundsätzlich im Rahmen des Verwandtenunterhalts auch der Stamm des Vermögens einzusetzen sei. Es ergaben sich jedoch Einschränkungen dahingehend, dass nach dem Gesetz auch sonstige Verpflichtungen des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen seien und er insbesondere seinen eigenen angemessenen Unterhalt nicht zu gefährden brauche. Daher müsse der Unterhaltspflichtige seinen Vermögensstamm dann nicht einsetzen, wenn ihn dies von fortlaufenden Einkünften abschneiden würde oder die Verwertung mit einem wirtschaftlich nicht mehr vertretbaren Nachteil verbunden wäre. Auch die Verwertung einer angemessenen, selbst genutzten Immobilie kann regelmäßig nicht gefordert werden.
Ergänzend führt der BGH nunmehr auch aus, dass weiteres Vermögen, das für eine angemessene eigene Altersvorsorge vorgesehen sei, nicht angetastet werden könne. Dabei komme es auf die Art der Anlage der Altersvorsorge nicht an, dies stehe dem Unterhaltspflichtigen frei. Die Höhe des dem Unterhaltspflichtigen im Hinblick auf seine Altersvorsorge zu belassenden Schonvermögens ergebe sich aus dem Umfang der neben der gesetzlichen Rentenversicherung unterhaltsrechtlich zuzubilligenden ergänzenden Altersvorsorge. Im Rahmen des Elternunterhalts sei der Verpflichtete dabei berechtigt, neben den Beiträgen zu der gesetzlichen Rentenversicherung bis zu 5 % seines Bruttoeinkommens als zusätzliche private Altersversorgung aufzuwenden. In Konsequenz hieraus müsse ihm auch ein Vermögen belassen werden, wie er es mit diesen Aufwendungen im Laufe seines Erwerbslebens hätte ansparen können. In dem hier konkret zu beurteilenden Fall hat der Senat diesen Betrag des Schonvermögens mit rund 100.000 € bemessen.

geschrieben am: 28.02.2008 - 11:23:17 von: scheidung-US in der Kategorie Unterhalt
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