Reform des Pflichtteilsrecht (Quelle: BMJ)

Anlässlich des 2. Deutschen Erbrechtstags in Berlin stellte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries heute (16.03.07) die Eckpunkte einer geplanten Reform des Erbrechts vor.

„Das deutsche Erbrecht hat sich in seinen Grundzügen bewährt. Auf viele Erscheinungen wie die zunehmende Zahl von Ehescheidungen und von unverheiratet zusammenlebenden Paaren sowie Patchworkfamilien enthält das geltende Recht jedoch keine zeitgemäßen Antworten. Deshalb wollen wird das Pflichtteilsrecht modernisieren und die erbrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten ausbauen. Die geplante Reform wird dem Spannungsfeld zwischen den beiden verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Testierfreiheit des Erblassers auf der einen und der Mindestbeteiligung der Abkömmlinge am Nachlass auf der anderen Seite gerecht“, erläuterte die Ministerin die geplante Gesetzesnovelle.

Das Pflichtteilsrecht lässt Abkömmlinge oder Eltern sowie Ehegatten und den Lebenspartner des Erblassers auch dann am Nachlass teilhaben, wenn sie der Erblasser durch Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen hat. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils; diese Höhe bleibt durch die geplanten Neuerungen unberührt.

Die wichtigsten Punkte der Reform im Einzelnen:

Modernisierung der Pflichtteilsentziehungsgründe
Ein wesentliches Anliegen der Reform ist die Stärkung der Testierfreiheit des Erblassers, also seines Rechts, durch Verfügung von Todes wegen über seinen Nachlass zu bestimmen. Dementsprechend werden die Gründe überarbeitet, die den Erblasser berechtigen, den Pflichtteil zu entziehen:

– Die Entziehungsgründe sollen vereinheitlicht werden, indem sie künftig für Abkömmlinge, Eltern und Ehegatten oder Lebenspartner gleichermaßen Anwendung finden. Bislang gelten insoweit Unterschiede, für die es keinen sachlichen Grund gibt.

– Darüber hinaus sollen künftig alle Personen geschützt werden, die dem Erblasser einem Ehegatten, Lebenspartner oder Kindern vergleichbar nahe stehen, z. B. Stief- und Pflegekinder. Eine Pflichtteilsentziehung soll auch dann möglich sein, wenn der Pflichtteilsberechtigte diesen Personen nach dem Leben trachtet oder sie körperlich schwer misshandelt. Nach derzeitiger Gesetzeslage ist dies nur bei entsprechenden Vorfällen gegenüber dem Erblasser, seinem Ehegatten, Lebenspartner oder seinen Kindern möglich.

Beispiel: Künftig wird sowohl die Tötung des langjährigen Lebensgefährten der Erblasserin durch ihren Sohn als auch die schwere körperliche Misshandlung der Tochter des Erblassers durch dessen Sohn eine Entziehung des Pflichtteils rechtfertigen.

– Der Entziehungsgrund des „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels “ soll entfallen. Er hat sich als zu unbestimmt erwiesen und rechtfertigt nur die Entziehung des Pflichtteils der Abkömmlinge, nicht aber die des Eltern- oder Ehegattenpflichtteils. Stattdessen soll künftig eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung zur Entziehung des Pflichtteils berechtigen, wenn es dem Erblassers unzumutbar ist, dem Verurteilten seinen Pflichtteil zu belassen. Gleiches soll bei Straftaten gelten, die im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen wurden.

Maßvolle Erweiterung der Stundungsgründe
Besteht das Vermögen des Erblassers im Wesentlichen aus einem Eigenheim oder einem Unternehmen, müssen die Erben diese Vermögenswerte oft nach dem Tod des Erblassers verkaufen, um den Pflichtteil auszahlen zu können. Lösung bietet hier die bereits geltende Stundungsregelung, die jedoch derzeit sehr eng ausgestaltet und nur dem pflichtteilsberechtigten Erben (insbes. Abkömmling, Ehegatte) eröffnet ist. Mit der Reform soll die Stundung unter erleichterten Voraussetzungen und für jeden Erben durchsetzbar sein.

Beispiel: In Zukunft kann auch der Neffe, der ein Haus geerbt hat, eine Stundung gegenüber den pflichtteilsberechtigten Kindern geltend machen, sofern die Erfüllung des Pflichtteils eine „unbillige Härte“ darstellen würde.

Gleitende Ausschlussfrist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch
Die Ausschlussfrist für Pflichtteilsergänzungsansprüche wird flexibler. Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch kann für den Pflichtteilsberechtigten nach geltendem Recht bestehen, wenn der Erblasser Vermögenswerte an eine dritte Person verschenkt und dadurch den Nachlass verringert hat. Schenkungen werden dabei in voller Höhe berücksichtigt, wenn sie bis zu zehn Jahre vor dem Erbfall durchgeführt wurden. Das bedeutet: Verstirbt der Erblasser auch nur einen Tag vor Ablauf dieser Frist, wird der Pflichtteilsberechtigte für die Berechnung seines Anspruchs so gestellt, als gehöre die Schenkung noch zum Nachlass.

Die Reform sieht nun vor, dass die Schenkung für die Pflichtteilsberechnung graduell immer weniger Berücksichtigung findet, je länger sie zurück liegt: Eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall wird demnach voll in die Berechnung des Nachlasses einbezogen, im zweiten Jahr jedoch nur noch zu 9/10, im dritten Jahr zu 8/10 usw. berücksichtigt. Damit wird sowohl dem Erben als auch dem Beschenkten mehr Planungssicherheit eingeräumt.

Bessere Honorierung von Pflegeleistungen beim Erbausgleich
Auch außerhalb des Pflichtteilsrechts wird das Erbrecht vereinfacht und modernisiert. Ein wichtiger Punkt ist die bessere Berücksichtigung von Pflegeleistungen bei der Erbauseinandersetzung. Zwei Drittel aller Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt, über die finanzielle Seite wird dabei selten gesprochen. Trifft der Erblasser auch in seinem Testament keine Ausgleichsregelung, geht der pflegende Angehörige heute oftmals leer aus. Erbrechtliche Ausgleichsansprüche gibt es nur für einen Abkömmling, der unter Verzicht auf berufliches Einkommen den Erblasser über längere Zeit pflegt. Künftig soll jeder gesetzliche Erbe einen Ausgleich für Pflegeleistungen erhalten und zwar unabhängig davon, ob er für die Pflegeleistungen auf ein eigenes berufliches Einkommen verzichtet hat. Die Bewertung der Leistungen wird sich an der gesetzlichen Pflegeversicherung orientieren.

Beispiel: Die verwitwete kinderlose Erblasserin wird von ihrer nicht berufstätigen Schwester gepflegt. Der Bruder kümmert sich nicht. Die Erblasserin stirbt, ohne ein Testament hinterlassen zu haben. Der Nachlass beträgt 100.000 Euro. Die Pflegeleistungen sind mit 20.000 Euro zu bewerten. Derzeit erben die Schwester und der Bruder je zur Hälfte. Künftig kann die Schwester einen Ausgleich für ihre Pflegeleistungen verlangen. Von dem Nachlass wird zugunsten der Schwester der Ausgleichsbetrag abgezogen und der Rest nach der Erbquote verteilt (100.000–20.000 = 80.000). Von den 80.000 Euro erhalten beide die Hälfte. Im Ergebnis erhält die Schwester also 60.000 Euro.

Der Referentenentwurf ist zur Abstimmung an die beteiligten Ressorts versandt worden.

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4 Reaktionen zu “Reform des Pflichtteilsrecht (Quelle: BMJ)”

  1. Manga

    Hallo Herr RA,
    kurze Frage,
    erbt die Noch-Ehefrau meines Lebensgefährten, wenn sein Vater (ihr Noch-Schwiegervater) stirbt?

    Sie leben offizell getrennt, Scheidung noch nicht eingereicht.
    Vielen Dank
    K.

  2. RA Thomas von der Wehl

    @ manga

    nein, die Ehefrau hat kein Erbrecht gegenüber dem Schwiegervater.

    Das Erbrecht gegenüber dem Ehemann erlischt allerdings erst, wenn der Scheidungsantrag zugestellt ist.

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  3. Simone

    Folgender Fall:
    Ehepaar, gesetzl. Güterstand.
    Wollen gemeinsam letzten Willen niederlegen.
    Errichten ein gemeinschaftl. Testament (2 getrennte Briefbögen, jeweils der Ehepartner wird als Alleinerbe eingesetzt, nach dem Tod des letztversterbenden soll das Kind alles erben – kommt in gemeinsamen, verschlossenen Briefumschlag).
    Später: Streit.
    Er will neu regeln: Kind soll alleiniger Erbe von ihm sein, Verfügung von damals ist gegenstandslos.
    Er zeigt ihr das Schreiben, legt es zu seinen Unterlagen.
    Er schenkt Kind zu Weihnachten 10000 Euro, weil „es ja sowieso mal alles bekommen wird!“
    Dann neuer Streit, diesmal zwischen ihm und dem Kind.
    Er wird dann krank, will aber seine geliebte und teure Briefmarkensammlung vor falschen Händen bewahren: verkauft sie für 5000€ an Freund, obwohl sie 50000€ wert ist (Gesamtvermögen von ihm zu diesem Zeitpunkt: 70000€ inkl. der Briefmarken).
    Er stirbt dann bald. Sein Vermögen zu diesem Zeitpunkt: 15000€.

    Jetzt streiten sich Frau und Kind. Jeder glaubt er ist Alleinerbe und dass der Verkauf an Freund unwirksam sei.
    Außerdem meint sie, dass sich das Kind die geschenkten 10000€ anrechnen lassen müsste, wenn ihm überhaupt was zusteht.
    Frage: wer ist Erbe geworden? Was steht demjenigen zu? Und was steht den anderen zu?

    Danke!

  4. RA Thomas von der Wehl

    @ simone

    diesen Fall muss ein beauftragter Rechtsanwalt betreuen. Das Erbrecht ist einerseits nicht mein Gebiet am andererseits wäre eine Auskunft hier geradezu fahrlässig.

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